Wintermütze, Thermojacke, warme Handschuhe und frisch verschneite Berggipfel, herzlich willkommen im Schweizer Sommer Ende Juli im Engadin! Wieso ich mich in der Vergangenheit stets gegen ein Höhentraining gesträubt habe, erläuterte ich bereits in einem meiner letzten Berichte und obschon ich es nun schon seit zwei Wochen auf dem Campingplatz aushalte, werde ich mich wohl auch diesmal nicht mit dem Engadin anfreunden und bei meiner Erkenntnis bleiben: Das Leben in den Bergen ist nichts für mich. Landschaftlich gefällt es mir zwar extrem gut, doch die herrschenden Bedingungen und die dünne Luft machen mir täglich extrem zu schaffen!
Bereits auf dem Heimflug von Las Vegas vor drei Wochen stimmten mich meine gemachten Erfahrungen in den Höhenlagen von +3’000 M.ü.M. im Hinblick auf das Rennen in Leadville nachdenklich. Wie soll ich bei einem Rennen eine Chance haben, bei dem der Startschuss auf 3’200 M.ü.M. fällt und der höchste Punkt auf über 3’800 M.ü.M. führt?! Dass ein Höhentraining im Schweizer Engadin auf 1’800 M. nicht ausreichen würden war ich mir ziemlich schnell bewusst, doch welche Möglichkeiten hätte ich denn sonst? In Europa ist es beinahe unmöglich, sich in solchen Höhenlagen aufzuhalten und zu trainieren, ausser man schläft im Höhenzelt oder auf einem Berggipfel. Diese Möglichkeiten und auch die nötige Erfahrung- / Wissen habe ich aber leider nicht für solche «Projekte». Meine Amerikanischen Rennfahrerkollegen reisten praktisch alle von Beaver direkt nach Colorado oder sogar nach Leadville und Umgebung, damit sie sich während vier Wochen auf das Rennen vorbereiten und akklimatisieren können.
Dass sich bei mir Dinge und gemachte Planungen ändern können, ist nichts Neues und obschon ich mir einen Start beim Rennen in Leadville schon sehr lange in den Kopf gesetzt hatte, hat mir der «Crusher in the Tushar» meine Grenzen aufgezeigt. Die grössten Enttäuschungen sind für mich stets jene, bei denen ich unter meinem Wert geschlagen werde und vor allem durch Dinge, die nicht in meiner Hand liegen (zB. Defekte, Bedingungen).
Es kam einmal mehr wie es kommen musste und nach nur wenigen Tagen im Engadin traf ich den Einheimischen Fadri Barandun und er fragte mich, ob ich nicht mit ihm das Swiss Epic bestreiten würde. Sein Partner (Andrin Beeli) erlitt bei einem Trainingssturz einen Bruch und fällt für die kommenden Wochen aus. Beide überzeugten beim Engadin Bike Giro mit ihren starken Leistungen, denn während sich Beeli den Sieg sicherte, fuhr Fadri auf Rang Zwei. Neben der Tatsache, dass ich nun das Swiss Epic würde bestreiten können kam noch eine weitere Komponente, denn mit Spar (Einkaufskette) habe ich einen neuen Sponsor mit an Bord (genauere Infos dazu gibt es in der kommenden Woche) und dieser ist der aktuelle Hauptsponsor des Swiss Epic’s. Es versteht sich daher von selbst, dass er mich gerne beim Rennen mit dabeihaben möchte! Hinzu kommt auch noch, dass ich bei einem Verzicht zu einer weiteren Amerikareise auch an der Schweizermeisterschaft zur Titelverteidigung antreten könnte.
Da ich in Amerika in der Serie ja nur deren fünf von sieben Rennen bestreiten muss, könnte ich die letzten drei Rennen im September und Oktober ja noch alle bestreiten und hätte neben Leadville sogar noch ein weiteres Streichresultat. Theoretisch könnte ich auch beim Rennen in Leadville teilnehmen und dann am Sonntag nach Hause fliegen. Dann wäre ich am Montag zurück und könnte am Dienstag beim Swiss Epic trotzdem dabei sein…… das wäre aber wohl definitiv zu viel des Guten!
Wie ihr seht, waren es wieder sehr viele Punkte und Entscheidungen, die es abzuwiegen galt und ich musste zuerst einmal darüber schlafen. Die vielen Negativpunkte, die Leadville für mich mitbringt, der enorme Aufwand mit der erneuten Reiserei, dem Jetlag usw. sowie die Tatsache, dass ich beim Swiss Epic mit Fadri einen starken Partner habe und auch meine Frau beim Rennen dabei ist, überwogen mich am Ende, die Anfrage anzunehmen. Ich hätte nach dem Rennen in Leadville noch einen Start beim SBT Gravelrennen geplant, doch auch da denke ich, dass ich nun mehr Spass und Freude mit vielen Kollegen und Bekannten in der Swiss Epic Woche haben werde, als wenn ich eine Woche lang allein irgendwo in einem Hotel in Amerika die Zeit vertreiben müsste. Dafür werde ich nun Mitte September wieder nach Amerika reisen und die beiden Rennen in Cable und Trinidad fahren und anschliessend das Finale Ende Oktober in Bentonville. Somit bleiben immer noch drei neue grosse Rennen für mich und diese finden auch nicht mehr in solch extremen Höhenlagen statt, womit sich wohl auch meine Chancen auf ein besseres Abschneiden wesentlich erhöhen werden!
Ich freue mich nun sehr auf das Swiss Epic, auch wenn es wieder einmal ein paar gedankliche «Knorze» sowie Umbuchungen mit sich brachte und ich hoffe, dass ich Andrin gut vertreten werde! Ich wünsche ihm auf jeden Fall an dieser Stelle gute Besserung!
Mein nächster Start wird nun also doch die Schweizermeisterschaft im Rahmen der Eiger Bike Challenge vom 12. August in Grindelwald sein und ich bin gespannt, wie sich die insgesamt drei Wochen in der dünneren Luft auszahlen werden! Vom Engadin habe ich jetzt erst einmal genug…. Ich bin und bleibe wohl ein Flachlandindianer oder vlt. sogar eher ein Wüstencowboy!