Ohne eigene Erfahrung ist es beinahe unmöglich sich vorzustellen, was man beim Desert Dash in Namibia alles über sich ergehen lassen muss (ok, man muss sich das ja auch nicht zwingend antun ….). Heute Morgen um 5.30 Uhr habe ich einen weiteren Solo Dash ohne Sturz oder Defekt ins Ziel gebracht, es war mein zehnter in Folge sein und tatsächlich holte ich mir den achten Sieg! Ein Jahrzehnt also stellte ich mich der Herausforderung und einmal mehr war es nicht nur sprichwörtlich ein weiter Weg (400 Km), sondern auch eine 15-stündige Leindesgeschichte!
Nach meinem Rücktritt vom Profisport hatte ich mich schon lange entschieden, dass ich den Dash noch einmal fahren möchte. Das Rennen ist für mich eine Teilnahme einer Community, die ich in der Form nur in Namibia gefunden habe. Das Rennen ist das Highlight einer ganzen Mountainbikefamilie, in welcher ich schon sehr lange akzeptiert und aufgenommen wurde und ich viele sehr gute Freundschaften gewinnen konnte. Einzig die Vorbereitung war durch die Arbeit auf dem Dach in diesem Jahr etwas schwieriger, doch ich tat mein Bestes, dass aus meiner Sicht nötige Training zusammen zu kriegen. Ich war mir zudem auch sicher, dass ich noch einen Dash auf gutem Level in mir habe.
Damit ich meinem Körper dann doch noch etwas entgegenkommen konnte, reiste ich bereits vor zwei Wochen nach Namibia um mich an die Hitze zu gewöhnen. Meine Frau war bereits seit einem Monat im Süden, da sie noch ein paar Rennen in Südafrika bestritten hatte und so trafen wir uns schliesslich in ihrer Heimat. Nach ein paar Tagen in Windhoek machten wir als letzte Vorbereitung mit zwei Kollegen eine fünftägige Biketour durch die Wüste. So stand ich gestern mit einem guten Gefühl um 14.30 Uhr an der Startlinie in Windhoek. Einzig mental hatte ich bereits während der Tour zu kämpfen, denn für die endlosen Holperpisten konnte ich mich einfach nicht mehr motivieren wie auch schon. Dazu gehörte auch das zwangsläufige Carboloading. Schliesslich hielt ich mir immer wieder vor Augen, wieso ich hier bin (es war ja schliesslich meine Entscheidung und ist jedes Mal ein Privileg) und wer ausser mir (Vera’s Eltern) den ganzen Aufwand mit dem Support auf sich nahmen!
Das Thermometer kletterte beim Start gegen die 40 Grad, doch dafür war der Gegenwind auf den ersten 100 Km für einmal nicht so stark wie die Jahre zuvor. Bereits am Kupferberg setzte sich eine sechsköpfige Spitzengruppe zusammen, welche schliesslich bis Km 65 bestehen blieb. Wir harmonierten alle gut, ausser Drikus Coetzee spielte ein wenig den „toten Mann“ am Ende der Gruppe. Dies überraschte mich nicht sonderlich, denn vor einer Woche gewann er das Munga in Südafrika, ein Nonstop Rennen über 1150 Km und mit über 54 Std. im Sattel würden die Beine bestimmt noch immer etwas schmerzen.
Vor dem angesagten Wasserpunkt (KM65) einigten wir uns schliesslich alle für einen kurzen Stopp, doch dann war es ausgerechnet Drikus, der bereits nach wenigen Sekunden weiterfuhr und zwar Vollgas. Mein Hauptaugenmerk lag eigentlich auf Martin Freyer, mit ihm duellierte ich mich bereits 2020 um den Sieg und er war dann auch der Einzige, der die Situation erkannte und nachsetzte. Die anderen drei Begleiter verloren den Kontakt zu uns und obschon ich eigentlich auf sie warten wolle, hatte ich keine andere Wahl als mitzufahren. Ein Gentlemen Agreement sieht schliesslich anders aus….. Krass war anschliessend die Tatsache, dass wir die entstandene Lücke zu Zweit nicht zukriegten und uns bis zur Abfahrt des Uispasses (KM80) rund eine Minute einhandelten. Diese würden wir in der einzigen langen Abfahrt (ca.10 KM) aber wieder zukriegen, Fehlanzeige! Unten angekommen bliess uns der Wind dann Vollgas ins Gesicht und spätestens bis zum ersten Checkpoint (KM100) musste die Lücke geschlossen werden. Mir wurde dann genau dieses Unterfangen zum Verhängnis und die 10 Minuten Vollgas im Brutofen zogen mir den Stecker!
Zwar waren wir vor dem Checkpoint wieder dran, doch unmittelbar danach musste ich meine zwei Begleiter ziehen lassen, würde ich den Zielstrich in Swakopmund zu Gesicht bekommen. Die nächsten 35 KM ging nicht mehr viel und ich war komplett auf mich alleine gestellt. Vor mir lag ein stetiges Auf- und Ab und der Gegenwind war unerträglich. Ich musste komplett Tempo rausnehmen, zumal sich erste Magenkrämpfe bemerkbar machten und ich nichts mehr essen konnte. Die Kombination aus Hitze und Höhe ist einfach ein Killer! Ich fand mich mit der Situation ab und beschloss, das Rennen ohne Stress zu Ende zu fahren und es zu „geniessen“, sofern davon die Rede sein kann.
Kurz vor Einbruch der Dunkelheit erreichte ich den Wasserpunkt nach 135 KM und da traf mich fast der Schlag. 13 Minuten Rückstand auf Drikus und 5 Minuten auf Martin, Wahnsinn! Irgendwann so war ich mir sicher, würde der erste 2 Mann Fahrer (diese starteten 30 Minuten nach uns) zu mir aufschliessen und dies würde vermutlich mein Kollege Alex Miller sein, mit dem ich die fünf Tage in der Wüste trainierte. Er fuhr mit seiner Freundin (Caroline) im Mixed, genauso wie meine Frau und ihr Partner würde hftl. noch bei Alex sein! Meine Hoffnung war vergebens und so schloss Alex nach 160 Km zu mir auf. Zu meiner Überraschung hatte er noch Gareth (einen zuvor abgehängten Solo) bei sich und keine 5 Minuten später holten wir zu Dritt auch Martin wieder ein. Als wir dann den Halfway erreichten, hatten wir noch immer 12 Minuten Rückstand und dies, obwohl wir gefühlt durch die Nacht geflogen sind. Für mich hatte sich etwas ganz Entscheidendes ergeben und zwar der Wille und die Erkenntnis, dass ich nochmals um den Sieg kämpfen wollte, zumal ich mich aus meiner Krise befreien konnte.
Ich vollzog den Wechsel beim Halfway sehr schnell (es ist die erste Stelle, bei der man Support von Aussen erhalten kann und mein Schwiegervater und meine Frau standen mit neuen Flaschen bereit). Das Problem war, dass nun Alex an seine Freundin übergeben hatte und diese würde mir erstens nicht viel helfen können und zweitens durfte ich sie auch nicht in meinem Schlepptau haben, zumal mir sonst meine Frau wohl den Kopf abgerissen hätte! Martin und Gareth liessen sich etwas mehr Zeit und so machte ich mich alleine auf die Verfolgung von Drikus. Das dritte Teilstück sollte mir am besten entgegen konnte, zumal es nach 230 gefahrenen Km durch teilweise losen Sand geht und da sollte ich auch meine Bikeskills gegenüber Drikus ausspielen können. Nach 200 KM betrug mein Rückstand noch 10 Minuten und dies war der entscheidende Motivationsbooster. Ich hatte also bereits auf der breiten Kiesstrasse 2 Minuten zugefahren. Die Beine drehten nun genau so, wie ich mir das vorstellte und dies, obschon ich mich nach jedem Schluck beinahe übergeben musste! Für mich ist das stets die grösste Tortour überhaupt und trotzdem muss ich es jedes Mal über mich ergehen lassen! Es fühlt sich an wie bei einem Boxkampf, Runde für Runde muss man unzählige Schläge einstecken und einfach immer weitermachen, furchtbar!
Beim nächsten Wasserpunkt bei 215KM lag ich nur noch deren 5 Minuten zurück und jetzt sollte erst der lose Sand kommen. Ich hämmerte in die Pedale was ging und dann war ich tatsächlich nach 235 Km dran und zog auch gleich vorbei. Somit konnte ich nach dem Sandabschnitt wieder etwas rausnehmen und mich vom Effort erholen. Drikus schloss wieder auf und gemeinsam fuhren wir zum nächsten Checkpoint bei 260KM. Diesmal hatten wir keinen Stress und so verschwanden wir nach kurzem Stopp wieder gemeinsam im Dunkeln der Nacht. Nach hinten hatten wir einen guten Abstand und es schien so, als würden uns die 4er Teams nicht einholen. Gemeinsam erreichten wir schliesslich auch den letzten Checkpoint nach 350KM und nun lag die berüchtigte Mondlandschaft vor uns. Ein 20 Km langes Teilstück durch teilweise lose Sandstrassen und wo ich normalerweise die Entscheidung suche, waren mir sprichwörtlich die Hände gebunden. Vor dem Checkpoint wurde uns nämlich mitgeteilt, dass das aufschliessende 4er Team nur noch 12 Minuten hinter uns lag und falls ich mich absetzen würde, so würde ich mich auf den allerletzten flachen und ultraschnellen KM bis zum Ziel niemals alleine vorne gegen Drikus oder das Team behaupten können. Somit war für mich klar, dass es zu einem Zielsprint kommen würde und die entscheidende Frage war im Grunde nur, ob wir vom Team noch gestellt würden.
Das Gefühl, wenn man die Lichter von Swakopmund das erste Mal wahrnimmt, ist jedes Mal unbeschreiblich. Es fühlt sich an wie eine Erlösung! Leider war da noch diese Ungewissheit des Ausgangs des Rennens und hatte ich 2021 eine bittere Sprintniederlage einstecken müssen, so durfte mir dies auf gar keinen Fall ein zweites Mal passieren. Aufgrund der Vorbelastung rechnete ich mir wesentlich bessere Karten ein, doch in Drikus hatte ich mich ja bereits einmal getäuscht und so musste ich mich richtig zusammennehmen. Auf den letzten KM vor dem Ziel erblickten wir schliesslich tatsächlich die Lichter des heranfliegenden 4er Teams hinter uns und trotzdem wollten wir vor ihnen im Ziel sein. Die bereits gemachte Erfahrung half mir diesmal und so konnte ich mir am Ende hauchdünn den Sieg sichern und meinen 8ten Desert Dash gewinnen! Es war ganz einfach ein weiterer unglaublicher Renntag in der Wüste, nicht nur spannend, sondern auch schmerzvoll und ungemütlich!
Nun wird dieser Bericht einmal mehr bereits online sein, wenn der Grossteil der Teilnehmer noch viele KM vor sich hat und ich ziehe einmal mehr den Hut von Allen, die sich den Herausforderungen des Dahes stellen! Ich meinerseits werde mich nun der Suche widmen, den grösstmöglichen Hamburger von Swakop aufzusuchen und am besten auch noch gleich eine Pizza als Nachtisch dazu!