Rennberichte

Einmal Paris und zurück!

From Paris with Love ….. oder so ähnlich! Wauw, was waren das für tolle Olympische Spiele 2024! Bei der bereits dritten Teilnahme meiner Frau konnte ich endlich auch live mit dabei sein und diese Chance liess ich mir natürlich nicht nehmen! Für mich war von Anfang an klar, ich werde mit dem Rad nach Paris fahren! Die Frage war nur, in wie vielen Tagen ich das machen sollte und nach meinem Rücktritt und der wegfallenden Trainingsstruktur war klar, ich könnte möglichst schnell in die Französische Hauptstadt kommen!

Da es nach der Schweizer Grenze bei direktem Weg ziemlich eintönig würde, plante ich beim Hinweg noch einen Umweg über die Vogesen ein. Damit würden es zwar 100 Km mehr, doch die Fahrt über den Col de Ballon würde sich bestimmt lohnen. Dass ich bis 10 Std relativ gut auf dem Rad aushalten kann, weiss ich schon lange doch viel mehr geht dann doch nicht (mental). So plante ich die Strecke zwar in drei Strecken, buchte allerdings die Unterkünfte erst zwei Tage vor der Abreise definitiv. Ich wollte zuerst das Wetter abwarten, denn mehr als eine kurze Hose, eine Unterhose, ein T-Shirt, die Zahnbürste und Sonnencreme hatte ich nicht dabei. Ich beliess es auch einzig bei einer Radhose und einem Trikot und verzichtete gänzlich auf eine Regenjacke oder Gilet, es musste also trocken und warm bleiben!

Dies war dann glücklicherweise der Fall und es war schon fast zu heiss für solch lange Tage im Sattel! Den ersten Tagesabschnitt startete ich bereits vor 6 Uhr morgens, denn schliesslich lagen über 270 Km und 2’400 Hm vor mir. Beim Losfahren hatte ich schon ein wenig ein „mulmiges“ Gefühl, denn wollte ich es rechtzeitig nach Paris schaffen, so hatte ich maximal einen Reservetag mit eingerechnet und die Unterkünfte waren eigentlich gebucht und somit keine Anpassungen möglich. Das Gefühl, mit dem Sonnenaufgang in den Tag aufzubrechen und bald einmal das vertraute Trainingsgebiet zu verlassen ist für mich eines der stärksten Freiheitsgefühle überhaupt!

Ich entschied mich für mein Gravelbike, montierte aber einen 40mm Reifen, der sehr gut rollt und ausser den 25 Km nach Basel dem Reihn entlang fuhr ich stets auf asphaltiertem Untergrund. So kam ich doch schnell voran und nach 5 Std. Fahrzeit hatte ich bereits 160 Km zurück gelegt. Vor mir türmten sich nun 1’000 Hm am Stück hervor, hinauf auf den Col de Ballon. Ein wunderschöner Anstieg, der sich über 17 Km erstreckt und sich über kleine Strässchen und auch nie steil hinauf windet. Vom Gipfel ging es schliesslich coupiert weiter bis ich nach 9 Std. das erste Tagesziel in Épinal erreichte. Eine idyllische Kleinstadt am Rande der Vogesen an der Mosel (Fluss)!

Für mich hiess es natürlich gleich Kleider waschen, denn ich buchte stets eine Unterkunft mit Waschmaschine, damit die Hygiene ja nicht zu kurz kommt…. mein Hintern wird mir später dafür danken!

Auch zum zweiten Tag brach ich vor Sonnenaufgang auf und die Stadt lag noch im Tiefschlaf, als ich sie hinter mir liess. Vor mir lagen über 240 Km, auf denen es stets rauf und runter ging. Endlose Felder und ausgestorbene kleine Dörfer auf dem Land und weit und breit kein Verkehr. Dass ich während 8,5 Std. im Sattel keine 50 Autos zählte war zwar sehr schön, doch dass ich dabei am Anfang beinahe verhungerte und verdurstete war dann nicht so ideal. Ich hatte keine Riegel mitgenommen, denn schliesslich freute ich mich im Vorfeld auf die französischen Boulangeries (Bäckereien) und deren Schokocroissants oder Flan’s….. dass es ausserdem nicht wie in der Schweiz an jeder Ecke einen Brunnen mit frischem Wasser gibt, das war ich mir ebenfalls nicht bewusst und so kam tatsächlich während rund 3 Std. einfach gar nichts! Zum Glück habe ich einen solch gut funktionierenden Körper, dass ich es schliesslich doch bis zur nächsten Bäckerei schaffte und diese wurde dann auch anständig geplündert!

Das zweite Tagesziel war Troyes, eine ebenfalls unglaublich tolle Stadt mit imposanter Altstadt! Viel Energie und Zeit für eine Besichtigung hatte ich dann leider nicht mehr und das starke Gewitter am Abend vermieste mir den Stadtrundgang!

Die letzte Etappe war dann relativ kurz im Vergleich, doch durch den starken Gegenwind musste ich mir die 186 Km vollends abverdienen! Nach 150 Km erreichte ich die Tore von Paris und ich liess es mir natürlich nicht nehmen, für das obligatorische Eiffelturm-Selfie noch eine Zusatzschleife durch die Stadt zu fahren!

Das Olympische Dorf lag am oberen Ende der Stadt im Stadtteil St. Denise. Der Grossteil des Strassenrennens führte aber durch den Süden und so buchte ich meine Unterkunft in der Nähe der Strecke auf der anderen Seite der Grossstadt. Rückblickend war das ein Fehler, denn somit musste ich immer zuerst durch die Stadt fahren, damit ich meine Frau besuchen konnte.

Nach meiner Ankunft war ich zu müde dafür, doch am nächsten Tag fuhr ich zuerst zum Olympischen Dorf und anschliessend begleitete ich meine Frau und weitere namhafte Fahrerinnen bei ihrem Einfahren. Somit sass ich am Ende erneut über 3,5 Std. im Sattel!

Dies war dann auch der nächste Tag der Fall, denn da fuhr ich an verschiedene Stellen der Strecke und feuerte Vera lautstark an! Die Zuschauerkulisse war gigantisch und ich hatte nicht nur einmal Gänsehaut, Wahnsinn!!

Am Tag nach dem Rennen besuchte ich Vera noch einmal im Olympischen Dorf und am Nachmittag hatten wir noch Zeit, um auf den Eiffelturm zu gehen und die Stadt von Oben anzuschauen. Für mich „Landei“ sind solche Städte und deren Logistik einfach immer wieder aufs Neue faszinierend doch darin leben, nein danke!

Nach drei anstrengenden Tagen in Paris brach ich am Dienstagmorgen früh meine Heimreise an. Auch diesmal lag die Stadt noch im Halbschlaf und die Strassen von Paris waren noch frei vom Verkehr. Somit kam ich schnell aus der Stadt und das war auch nötig, denn vor mir lag ein weiter weg!

Für die Heimfahrt wählte ich die „direkte Linie“, denn schliesslich sollte ich in nur zwei Tagen zu Hause sein, damit ich am Abend Vera beim Flughafen abholen könnte. Somit hatte ich also erneut ein starkes Ziel vor Augen, dass mich über die 600 bevorstehenden Kilometer motivieren würde.

Zum Glück hatte ich etwas mehr Glück mit dem Wind und so wurde der erste Tag mit 311 Km zwar lange, doch gefühlt waren die 9,75 Std im Sattel dann gar nicht so anstrengend. Einzig mental hatte ich oftmals zu kämpfen, denn wenn man nach 6 Std. keine Lust mehr hat und noch deren 4 Std. vor sich liegen, dann muss man sich schon ganz schön gut zureden! Noch während der Fahrt buchte ich mir ein Air b&b für die Nacht und schliesslich fand ich in Bourbonne-les-Bains eine passende Bleibe.

Am nächsten Morgen weckte mich dann trotz Müdigkeit ein Dollergeroll um 5 Uhr und damit hatte ich überhaupt nicht gerechnet! Schnell packte ich meine Sachen und so fuhr ich die ersten 3 Std. tatsächlich im Trockenen vor der Gewitterfront. Beim Losfahren war es noch halb Dunkel und zum Glück hatte es noch keine Autos unterwegs, denn schliesslich hatte ich auch kein Licht dabei….
Nach 100 Km hatte mich die nächste Gewitterzelle dann doch eingeholt und innert wenigen Minuten war ich klatschnass. Zum Glück war es nicht kalt und so fuhr ich noch etwas weiter, ehe ich beim nächsten Supermarkt doch anhalten musste. Es blitzte und donnerte gewaltig und mir wurde es schlicht zu gefährlich! So kam es, dass ich 45 Minuten durchnässt in einem Netto sass und ein ziemlich miserables Sandwich rein drückte.

Irgendwann musste ich dann einfach weiter, denn schliesslich rannte mir die Zeit davon, wollte ich es rechtzeitig nach Hause schaffen! Leider musste ich dann nach wenigen Km noch einmal anhalten, denn mir war so kalt, dass ich mir beim nächsten Lidl einen Platiksack kaufte und mir diesen vorne ins Trikot auf die Brust drückte. Ein alter Trick, der Wunder bewirken kann. Ab da fuhr ich nämlich die nächsten zwei Stunden im Monsunregen bis zur Schweizer Grenze nach Basel!
Bei der letzten Boulangerie, 500 Meter vor der Grenze drückte ich mir noch das letzte Sandwich mit frischem Baguette rein, damit ich für die verbleibenden 4 Stunden gerüstet war.
Nach 285 km und erneut fast 10 Std. im Sattel war ich dann um 17.30 Uhr zu Hause und so reichte es gerade noch für eine Dusche und etwas kleines zu Essen, ehe ich mit dem Auto noch zum Flughafen fuhr, wo meine Frau um 20.30 Uhr landete!

Natürlich hatte auch noch das Auto keinen Diesel mehr und der Eisschrank war ebenfalls lehr…. tanken und Einkaufen mussten also auch noch sein und einmal mehr war ich erstaunt, was man so alles in einen Tag reinpacken kann, als ich schliesslich todmüde im Bett lag!

1300 Km in 5 Tagen verbrachte ich also auf dem Rad und einmal mehr war die Erkenntnis, dass ich rein körperlich nie am Limit war und ich jeweils noch viel weiter fahren könnte, doch mein Kopf nach 10 Std. einfach keine Lust mehr hat. Die kribbelnden Finger sind ebenfalls ein Zeichen, dass es vlt. nicht so gesund ist für die Haltung und nein, ich werde ganz bestimmt kein Ultraradfahrer!

Ich hatte also fast 45 Std. Zeit zum Grübeln…. ich hörte keine Musik, sondern befasste mich einzig und allein mit meinen Gedanken! Über meinen Rücktritt, meine Zukunft und vieles mehr und auch diesbezüglich ergab sich leider ein Nein…. ich habe nicht herausgefunden, was ich in Zukunft machen möchte und so geht meine „Selbstfindungsphase“ weiter. Der Unterschied vom Profisport auf den Bau ist schon ziemlich krass und ich haderte bislang jeden Tag mit mir. Dies wird vermutlich auch noch lange so bleiben…. am liebsten würde ich mein Rad wieder satteln und einfach um die Welt fahren. Frei sein, angetrieben mit der eigenen Muskelkraft, dem Wind im Gesicht, der brennenden Sonne auf der Haut und vielen vielen Gedanken umringt…..