Es gibt wohl nicht viel ehrlichere Rennen auf dieser Welt als den Sella Ronda Hero und wohl auch nicht viel härtere Strecken. Was die Aussicht und das Panorama betrifft, so gibt es aber in jener Hinsicht auch nicht viele Orte, die den Sella Ronda toppen! Einfach nur spektakulär, atemberaubend und wunderschön ist diese Gegend in den Dolomiten!! (Sofern man etwas sieht)
4200 Höhenmeter sind an sich nicht das Problem, es kommt aber ganz darauf an während wie vielen Kilometern sich diese ergeben…. in diesem Fall auf 85 Km!! Ein echtes Brett also und ich bin das Rennen bisher nur einmal vor zwei Jahren gefahren. Damals schaffte ich es als 9ter sogar in die Top 10, doch die Bedingungen und Vorzeichen waren etwas anders.
Vom Unbound hatte ich mich relativ schnell erholt, denn für die Muskeln waren die letzten Rennstunden ja nicht mehr wirklich hart und die Energiespeicher konnte ich rasch wieder auffüllen.
Nur zwei Tage nach meiner Rückkehr aus Amerika reiste ich mit meiner Frau ins Wallis, da sie den Raid Evolenard bestreiten wollte. Das Wallis ist für mich das absolute Trainingsparadies schlechthin und für mich war von Beginn weg klar, dass ich das Rennen nicht bestreiten würde. Die Strecke liegt mir überhaupt nicht und mit der dünnen Luft komme ich ja sowieso nie zurecht. Dafür hatte ich die Möglichkeit, an meinen „Kletterfähigkeiten“ zu arbeiten und so absolvierte ich ein paar super Trainingstage. Am Sonntag vor einer Woche betreute ich dann Vera mit dem Bike und konnte mich schliesslich über ihren Sieg freuen.
Vom Wallis gings dann direkt in die Dolomiten, doch das Wetter war leider die ganze Woche eine Katastrophe und am Donnerstag waren gar die Gipfel mit frischem Schnee bedeckt. Obschon auch die Hero Strecke nicht wirklich zu meinen Lieblingsstrecken und die ultrasteilen Anstiege auch nicht gerade meine Paradedisziplin sind, wollte ich das Rennen bestreiten. Dass ein Top Resultat sehr schwer zu erreichen wäre, zeigte bereits ein Blick auf die Startliste. Bis auf ein paar wenige Ausnahmen war die komplette Marathon Weltelite vertreten. Ausserdem fehlen mir noch immer ein paar % zur Bestform und das nasskalte Wetter erschwerte die ganze Sache für mich zusätzlich.
Ich nahm mir vor, das Rennen verhalten anzugehen und ganz allein auf mich zu schauen. Schliesslich würde es nie eine Rolle spielen, ob man in einer Gruppe fährt oder nicht, denn bei einem 17er Schnitt!! spielt auch der Windschatten keine Rolle mehr und zu taktieren gibt es ebenfalls nichts. Am Ende geht es einfach nur darum, sich während 5 Rennstunden dem inneren Schweinehund zu stellen und sich bis zum absoluten Limit zu quälen!
Die Stratkulisse mit den unzähligen Zuschauern, gepaart mit dem bevorstehenden Streckenverlauf garantieren Gänsehaut und unmittelbar nach dem Start geht es während 5,5 Km die ersten 750 Hm bergauf! Ich startete verhalten und passierte den ersten Anstieg um Rang 25.
Nach der Abfahrt ging es direkt in die nächsten Rampen rein und den zweiten Anstieg überquerte ich dann rund 2 Minuten hinter der Gruppe um Rang 10. Die Sicht war auf ein paar Meter beschränkt und statt der atemberaubenden Aussicht musste ich immer wieder auf mein GPS schauen um zu erkennen, wann und ob die nächste Kurve kommt! Es war schon richtig kriminell. Trotzdem, ich war in jenem Abschnitt schnell unterwegs und nach der nächsten Abfahrt lag ich zu Beginn des dritten und längsten Anstieges nur noch 20 Sekunden hinter der Gruppe der Top10!
Jener Anstieg ist kaum zu beschreiben, wenn man ihn nicht selbst einmal gesehen oder befahren hat. Der komplette Anstieg ist so steil, dass selbst wir Profis mit einem 32 oder maximal 34er Kettenblatt alles im kleinsten Gang nur ganz knapp fahren können. Dabei presst es einem das letzte Korn an Kraft aus den Beinen und selbst die Arme brennen vom Ziehen am Lenker! Zum Glück kann sich Carbon nicht biegen, einen Alulenker hätte ich wohl verbogen….. !
Im Zeitlupentempo quälten wir uns alle hinauf und leider stellte es mir dann nach über 2000 Meter über Meer ab. Ich hatte ausserdem keine Übersicht mehr, da wir wieder in einer dicken Wolke ohne jegliche Sicht verschwanden, schade!
Nach der nächsten Abfahrt stand schliesslich noch der letzte etwas flachere Anstieg bevor und da wollte ich ursprünglich nochmals Gas geben. Am Hinterrad von Manuel Pliem kam ich einigermassen schnell ins Tal hinein und plötzlich tauchte die Gruppe mit Urs Huber und ein Rang unter den Top 20 nur noch wenige Sekunden vor mir auf. Leider konnte ich die Lücke dann aber gerade nicht schliessen und als mir Fadri Baranduns Vater beim letzten Posten mitteilte, dass meine Frau das Rennen gewinnen konnte, da war bei mir komplett fertig. Die Emotionen überholten mich und es ging nichts mehr. Ja ich startete im Bewusstsein, dass es extrem schwer würde, doch das Leiden fühlt sich einfach schon etwas anders an, ob man um die Top10 oder Top25 fährt. Leiden muss man nämlich für beides, doch ob ich in jener Region dann einen Platz weiter vorne oder hinten landen würde, war mir zu jenem Zeitpunkt egal. Ich freute mich extrem über den Erfolg meiner Frau, doch was ich im Moment mache, dass wusste ich auch nach dem heutigen Rennen ehrlich gesagt erneut selbst nicht mehr! Durch das „federn lassen“ verlor ich nochmals über 4 Minuten bis mich schliesslich der Zielstrich nach 5 Std. im Sattel erlöste! Abgeschlagen auf Rang 26!
Dass es im Sport nicht immer läuft, dass ist normal und ich habe mich auch schon einige Male durchgebissen. Aktuell fühlt es sich aber ganz anders an und dass einzig Gute an meiner Situation ist, dass ich wohl nicht der Einzige bin. Vlt. habt ihr den vorletzten Bericht meines langjährigen Rennfahrerkollegen Urs Huber gelesen…. Er sprach mir aus der Seele und ich habe noch einiges anzufügen, doch dafür reichen heute die Zeilen nicht! Ich bin mir aber auch ziemlich sicher, dass ich auf einer anderen Strecke nicht ganz soweit weg bin, wie es auf der aktuellen Rangliste aussieht und vlt. bräuchte es aktuell nur ein Rennen und einen Erfolg, damit der Knoten endlich aufgeht…….. leider gibt es aber aktuell keine dieser Sorte und deshalb muss ich mich wohl noch etwas weiter durchbeissen.
Zurück an die Arbeit!