Ready to rambo….. ja, für mich fühlt es sich tatsächlich so an, als würde ich Morgen in einen Boxring steigen! Es sind nicht die Eckdaten des Unbound (330 km & 3’500 Höhenmeter), welche mich beschäftigen sondern die Konkurrenz und die Streckenverhältnisse.
Das Unbound geniesst nicht umsonst den Ruf des grössten und prestigeträchtigsten Gravelrennens der Welt und mit der steigenden Popularität dieses Sports lockt es natürlich auch dementsprechend viele gute Fahrer an den Start. Immer mehr Worldtour Profis wechselten in letzter Zeit nach ihrer Karriere auf der Strasse ins Gelände, da der Sport natürlich vielmehr Ähnlichkeiten hat als Beispielsweise MTB. Für einen langjährigen Klassikerspezialisten wie Van Avermaet sind solche Rennen nahezu perfekt zugeschnitten. Der einzige Unterschied zu den herkömmlichen Rennen ist beim Unbound die Länge und die Gegebenheiten der Flint Hills und wohl genau deswegen ist auch die Ehrfurcht und das Prestige so gross. Beim Hinflug sass dann auch der aktuelle Gravelweltmeister Mohoric von Bahrain Victorious mit zwei Domestiquen und vier Staff im selben Flieger und das zeigt eindeutig wie wichtig dieses Rennen geworden ist, dass nun selbst ein Worldtour Strassenteam ihre Leute nach Emporia schickt.
Dass der Gravelsport einen regelrechten Boom erlebt ist kein Geheimniss und so wird auch alles dementsprechend vermarktet. Was genau der Unterschied zwischen einem Gravelschuh vs. Bikeschuh ist, weiss ich selbst nicht doch es lässt sich halt neu verkaufen…..
Die Beliebtheit des Unbounds zeigen die Teilnehmerzahlen, denn das Rennen ist mit über 4’500 Startplätzen stets ausverkauft und selbst als Profi kriegt man nur per Glück in der Lotterie einen Startplatz. Ich hatte es bereits vor meiner Teilnahme in der Lifetimeserie mehrmals vergebens versucht und letztes Jahr war mein Startplatz durch die Serie gegeben. Als ich mich von der Serie abmeldete war ein Startplatz beim Unbound meine einzige „Forderung“, da ich somit garantiert noch einmal mit dabei sein würde. Die 320 Dollar Startgeld musste ich diesmal aber selber bezahlen, krass!
Vor einem Jahr hatte ich extrem viel Pech bei diesem Rennen und der Ablauf und Ausgang ist bekannt. Wie sehr sich meine Karriere bei einem erfolgreichen Abschneiden (was ich damals physisch in mir gehabt hätte), hätte ändern können zeigte sich bei Petr Vakoc. Mit ihm fuhr ich Vorgestern noch rund 100 Km der Strecke ab und er war vor einem Jahr Zweiter. Nachdem er seine Karriere als Strassenprofi beendet hatte, finanzierte er sich ein Jahr lang selber und fuhr ohne Sponsoren bei Rennen mit. Eine Woche nachdem er beim Unbound Zweiter wurde hatte er wieder einen Vertrag und fährt seither auf der ganzen Welt erfolgreich Gravelrennen. Meine Motivation für einen erneuten Start ist nicht die Aussicht zum Gravelprofi, sondern ganz einfach der Reiz, es noch einmal zu zeigen, dass ich es über solche Distanzen drauf habe und mit den Besten der Welt mitfahren kann. Dass es in diesem Jahr allerdings noch viel schwieriger wird, zeigt ein Blick auf die Startliste!
Vor einem Jahr kam ich als Rookie nach Emporia und ja, ich machte meine schmerzhaften Erfahrungen in dieser Gegend! Die Flint Hills tragen nicht umsonst ihren Namen und die scharfen Steine führen dazu, dass es bei diesem Rennen ganz einfach auch ein Stückweit zur Lotterie wird, ob man ohne Pannen durchkommt. Russisches Roulette quasi. Vor einem Jahr hatte ich einen verheerenden Platten und dieses Jahr reiste ich mit einem sehr viel stärkeren Reifen an, doch beim ersten Training auf der Strecke schlitzte mir ein Stein bereits nach 20 Km die Seite auf. Danach bretterte ich über 1000 weitere Steine und es passierte nichts. Mein Begleiter Vakoc erlitt dasselbe Schicksal, doch bei ihm war es umgekehrt. Im Groben Gelände war nichts und am Ende zischte es auf einem smoothen Kiesweg doch noch bei ihm… Glück oder Pech!
Letztes Jahr war vor allem der Schlamm zu Beginn des Rennens das grosse Thema und brachte bereits nach 15 Km eine Vorentscheidung. Es war das reinste Chaos, dass ich je bei einem Rennen miterlebt hatte! Dieses Jahr führt die Strecke nach Norden und soll angeblich etwas weniger Schlamm, dafür viel mehr scharfe Steine haben!
Während vor einem Jahr die Schlammparty das Feld schon rasch in kleine Gruppen pulverisierte, wird es Morgen bis Km 40 ein Alptraum um die besten Positionen geben, da die Strecke bis dann flach und einfach ist. Erst ab da kommt die erste Engstelle und genau vor dieser ersten Rennstunde fürchte ich mich am meisten!
Ich bin nicht sehr gut in Positionskämpfen und das Fahren in einem Feld mit über 200 adrenalingeladenen Männern ist alles andere als entspannt! Auf der Strasse weiss man wenigstens, dass man normalerweise einfach hintereinander herfahren kann und im Normalfall nichts auf der Strasse liegt. Hier ist das anders, denn obwohl die Strasse breit ist, liegen überall Steine rum und an der Seite gibt es oftmals losen Schotter. So kann man unmöglich allem ausweichen und es wird bestimmt zu Stürzen und Defekten kommen! Wen es am Ende trifft, Russisch Roulette….
Immerhin hatte ich eine gute Reise hierher und auch das Gefühl ist gut. Ich hatte ebenfalls grosses Glück mit der Unterkunft und ich fühle mich sehr wohl hier. Von Zürich reiste ich am Dienstag via Amsterdam & Minneapolis nach Kansas City. So war ich von 4 Uhr morgens bis 1 Uhr Nachts unsere Zeit unterwegs. Als ich in Kansas ankam musste ich nur noch das Mietauto abholen und dann übernachtete ich 5 Min neben dem Flughafen im nächsten Hotel. Da war es ja erst 18 Uhr als ich ins Bett ging und ja, am nächsten Morgen war ich natürlich um 3 Uhr wieder wach. Zum Glück gab es bereits ab 4 Uhr Frühstück und so hatte ich um 6 Uhr bereits alles gepackt und auch das Rad zusammen gebaut. Anschliessend fuhr ich die verbleibenden 2 Std. mit dem Auto bis nach Emporia, wo ich bereits um 8 Uhr ins Haus konnte. Dieses organisierten mir die Amerikanischen Kollegen, welche ich im Vorjahr kennen lernte! Ein riesen Haus mit einer pensionierten Dame, die für uns sorgt und so fehlt es uns an nichts. Um 9 Uhr sass ich dann bereits mit Vakoc auf dem Rad und ja, um 18.30 Uhr war dann für mich wieder Schlafenszeit, während die Kollegen erst einmal mit Kochen anfingen.
Diesen Rhythmus werde ich natürlich die kompletten 4 Tage beibehalten, denn so habe ich nicht gross Jetlag und der Start ist am Samstag ja auch bereits um 6 Uhr morgens, womit ich keinerlei Probleme haben werde, bereits um 3 Uhr aufzustehen!
Für mich geht es dann nach dem Rennen bereits am Sonntagmorgen um 6 Uhr wieder nach Hause. Von Kansas via Atlanta zurück in die Schweiz, wo ich am Montag um 8 Uhr wieder zurück sein werde. Dass es am Samstag nach dem Rennen wohl kaum für einen Rennbericht reichen wird ist klar, doch für diesen werde ich dann im Flugzeug ausreichend Zeit haben! Es gibt bestimmt eine lange Story und ja, ich bin gespannt wie viel Drama ich erleben werde! Vlt. gewinne ich ja diesmal im Lotto und wenn nicht, dann war es ganz einfach ein weiterer Versuch, mich einmal auf der ganz grossen Bühne als kompletten Rennfahrer zu beweisen!
Full Gaz!