Rennberichte

Top 10 (9) beim Chequamegon Bike

Wer schon einmal einen Sprint auf dem Rad ausgetragen hat der weiss, dass ein Sprint nicht gleich Sprint bedeutet. Es gibt kurze Sprints und es gibt lange Sprints, es gibt Zweimannsprints und Massensprints …. es gibt übersichtliche Sprints und chaotische Sprints usw…. ! Wenn 14 übermotivierte Männer auf eine Zielgerade hinzurollen, dann braucht es verdammt viel Übersicht und vor allem auch etwas Glück, um in der richtigen Position zu sein und dann kommt da auch noch das entscheidende Timing hinzu. Eigentlich alles Dinge, dich ich normalerweise extrem gut beherrsche und ich auch schon unzählige Male zu meinem Vorteil ausgenutzt habe! Dass mir ausgerechnet der gestrige Sprint misslang ist zwar sehr schade, doch mit dem Rest des Rennens und vor allem meinem Befinden bin ich extrem zufrieden.

Das endlich eintreffende Gefühl der guten Beine bestätigte sich auch heute und nachdem ich am Vortag den Grossteil der Strecke abgefahren bin glaubte ich fest daran, dass ich auf dieser Strecke sehr viel erreichen kann. Es war keine normale Bikestrecke und eigentlich weder MTB noch Gravel und auch nicht Radquer…. sondern ein Mix der drei Disziplinen zusammen. Der Grossteil der Strecke führte auf einer 20 Meter breiten Wiese (Schneise durch den Wald), welche im Winter wohl als Langlaufpiste ihren Dienst erweist. Dann gab es ab und zu einen noch breiteren Kiesweg und dann waren da noch die gefühlten 2 Km Trail. Wieso dieses Rennen seit 40 Jahren über 3’000 Teilnehmer anlockt ist mir ehrlich gesagt ein Rätsel, doch ausser Wasserski, Jetski oder dann eben Schneemobilfahren im Winter kann man in dieser Gegend sowieso nicht viel anderes machen. Ok, vielleicht noch Holzfällen oder Angeln aber das wärs dann schon bald und das Einzugsgebiet an Menschen von Minneapolis aus ist doch ziemlich gross. Ich war auf jeden Fall zu tiefst beeindruckt vom Starterfeld und der eintreffenden Blechlawine!

Der Startschuss des Profirennens fiel nicht wie das Hobbyrennen in der Ortschaft Hayward, sondern etwas ausserhalb auf einer Schneise im Wald und das Tempo war ewartungsgemäss sehr hoch. Mein Ziel des Tages bestand darin, dass ich mich stets in den ersten 5 bis maximal 10 Positionen aufhalte und das gelang mir ausgezeichnet, obschon ich dafür unzählige Male meine Ellbogen ausfahren musste. Das Gerangel war riesig und im Grunde war es ein zweistündiges Sprintrennen mit gefühlt 300 Antritten à 600 Watt… Pause, 600 Watt… Pause usw… die unzähligen Wellen waren aber leider einfach zu kurz, um eine Gruppe zu selektionieren und auch meine eigenen Versuche blieben alle erfolglos und wurden von der Meute erstickt. Der längste Anstieg überhaupt betrug exakt 2 Minuten und diesen überquerte ich an vierter Stelle. In den Vorjahren war es jener Anstieg, der das Rennen jeweils sprengte und auch diesmal entstanden hinter mir kleine Lücken, doch diese wurden im Anschluss wieder zugefahren und so erreichten tatsächlich 14 Fahrer gemeinsam das Finale! Die letzten 500 Meter führten über eine breite Wiese und dies, nachdem wir noch ein letztes Mal durch eine enge Waldpassage fuhren. Das Gerangel war enorm und es wurde super hektisch.

Meine Taktik war, dass ich mich im Trail am Ende der Gruppe einreihen würde da ich annahm, dass es auf der offenen Wiese nochmals langsam würde und sich die Gruppe auf die Breite aufreihen würde. Ein so langer Sprint (500 Meter) kann jemand unmöglich von der Spitze aus fahren und so würde ich am Ende der Gruppe die beste Übersicht behalten und auch sofort reagieren können, falls der Erste zucken und der Sprint lanciert würde. Meine ganz grosse Stärke im Sprint ist, dass ich in den ersten Metern schneller wegkomme (Kick) und damit fast alle kurzen Sprints in der Vergangenheit gewinnen konnte. Leider wurde meine Taktik zunichte gemacht, indem ein Fahrer tatsächlich unmittelbar nach dem Trail den Sprint lancierte, also rund 500 Meter vor der Linie. Seine Taktik war, die anderen damit zu überraschen und leider brachte diese Aktion mein Scheitern. Da alle anderen vor mir gleich nachzogen gab es keinerlei taktische Spielchen mehr und es wurde praktisch ein „drag race to the line“, also ein einminütiger all out effort ohne tatsächlichen Sprint. Denn wer kann schon nach 30 Sekunden bei 500 Watt im Sitzen noch einen Sprint mit 1400 Watt drüber ziehen? (Ok, MVP vlt….)

Mir gingen ganz einfach die Meter aus und ich hatte auch nicht mehr die Power, um meinen Sprint auszupacken und so schnappte ich mir zwar noch wenige Fahrer, doch am Ende war es dann halt doch der ernüchternde 9te Rang.

Wie schon gesagt bin ich vor allem mit meiner Leistung des Tages zufrieden, denn rein vom Power hätte ich ganz bestimmt in die Top 5 gehört und wären die Anstiege nur ein bisschen länger gewesen, dann hätten es einige Fahrer nicht bis ins Finale geschafft. Es gab am Ende leider auch deren Fahrer vor mir, die ich bis zum letzten Meter nie gesehen habe und die nichts zum Rennen beitrugen. Das ist natürlich auch eine Taktik aber ich kann mir bis auf die falsche Position ganz am Ende nichts vorwerfen. Ein weiteres Mal habe ich viel dazugelernt und obschon es vlt nicht die attraktivste und wohl eine sehr spezielle Strecke war, so hat es vor allem eines gemacht, sehr sehr viel Spass und ich verlasse Amerika mit einem anderen Gefühl als letztes Mal!

Nach meiner Ankunft am Mittwoch absolvierte ich noch zwei kurze Trainings am Mittwochabend und Donnerstagmorgen in Minneapolis, ehe ich am Donnerstagnachmittag Richtung Cable reiste. So sah ich abermals einen neuen Ort in den USA und dieser gefiel mir richtig gut. Die Stadt oder generell die Region ist ja nicht gerade die erste Wahl, wenn man als Tourist nach Amerika reist und so fühlte es sich für einmal etwas „normal“ an. Der Ort bietet unzählige Parks, durch welche viele Radwege führen! Man kann inmitten der Stadt auf einem der unzähligen Seen segeln oder am Rande des berühmten Mississippi Flusses ein Bier geniessen. Die Landschaft drum herum ist mir aber eindeutig zu flach und so waren die 5 Tage dann doch genug für mich.

Nun fliege ich bereits Morgen Nachmittag zurück in die Schweiz. Am Montag in einer Woche geht es dann zuerst nach Denver und von da via Colorado nach Trinidad. Da werde ich beim über 180 Km führenden Gravelrennen (The Rad dirt festival) auf eine abermals neue Gegend treffen und es wäre natürlich schön, wenn ich zumindest resultatmässig doch noch einmal einen Exploit landen kann. Es scheint nämlich, dass meine seit langem abhanden gekommene Form nun doch nochmals zurückkehrt, ansonsten hätte ich das gestrige Rennen unmöglich in der Spitzengruppe überstanden! Wie es mit dem Jetlag aussieht, das werden wir sehen doch wie heisst es nochmals… „less thinking more dirt“!