Endlich, das erhoffte Comeback meiner Beine hätte besser nicht sein können und so feierte ich zum Abschluss des Engadin Bike Giros tatsächlich noch einen Etappensieg. Es war zugleich mein erster überhaupt bei diesem Rennen.
Die Taktik, die letzten Tage etwas ruhiger anzugehen und vor allem nicht zu überdrehen hat sich rückblickend ausbezahlt und ich bin extrem erleichtert, konnte ich am heutigen letzten Tag eine gute Leistung zeigen. Dies gibt vor allem auch extrem viel Selbstvertrauen für das nächste grosse Rennen in den USA vom kommenden Samstag! Dieses war nach der extrem schlechten Leistung an der Strassen SM und vor allem denn schweren Beine der letzten Woche doch ziemlich angekratzt!
Fuhr ich die ersten drei Tage noch eher verhalten und nie komplett am Limit, so merkte ich heute bereits beim Einfahren, dass ich endlich wieder einmal sehr gute Beine hatte. Die Etappe war mit 65 Km und 2’000 Hm dann zwar erneut ziemlich anspruchsvoll, doch der Hauptanstieg des Tages wurde durch ein paar kurze Flachstücke und kleine Abfahrten etwas gebrochen und kam mir deshalb wesentlich besser entgegen als die gestrige Kletterpartie an einem Stück!
Die Abstände der ersten drei waren vor dem Finale noch so klein, dass jeder seine Chancen auf den Gesamtsieg noch hätte nutzen können und so war es dann auch der Gesamtdritte Sascha Weber, welcher gleich beim ersten kurzen Anstieg ca. 3 Km nach dem Start die Flucht nach vorne suchte. Ich konnte das Tempo nicht mitgehen, doch zum Glück war es auch für alle anderen und selbst Weber zu schnell und so kam ich wieder an die Gruppe der ersten sechs heran. Kurze Zeit später war es dann der Portugiese Ferreira und dieser kam dann tatsächlich weg. In der folgenden schnellen Abfahrt formierte sich dahinter eine sechsköpfige Spitzengruppe und beim nächsten kurzen aber knackigen Anstieg attackierte dann Weber erneut und auch er kam weg. Es folgten ein paar flache Km entlang des Silvaplanersees und während die beiden Ausreisser vorne gemeinsame Sache machten, hielten wir den Abstand dahinter konstant. Bei mir waren noch mein Kollege Miller sowie der Leader Beeli und der Gesamtzweite Barandun.
Kurz vor Beginn des Hauptanstieges des Tages konnten wir schliesslich die Lücke wieder zufahren und somit begann das Rennen nach 20 gefahrenen Km bei null. Der Einstieg war zum Glück nicht so steil und je länger wir hinauf fuhren, umso besser fühlte ich mich, doch die Gruppe war mit sieben Fahrern noch immer sehr gross und keiner wollte wohl seine Karten zu früh auf den Tisch legen. Erst nach gut der Hälfte des Anstieges forcierte dann Barandun, denn da er in der Gesamtwertung nur eine Sekunde vor Weber auf Rang zwei lag, wollte er die Entscheidung wohl etwas früher suchen. Beeli und Miltiadis machten auch heute einen souveränen Eindruck, doch Miller, Weber & Ferreira begannen zu wackeln. Als wir dann die Alp Marguns erreichten, lag der letzte steile Anstieg hinauf zum Corviglia Steusee auf über 2’500 M.ü.M. bevor und ich fühlte mich so gut, dass ich das Tempo ab da bestimmen konnte und gemeinsam mit dem Cyprioten Miltiadis eine Lücke aufreissen konnte. Gemeinsam fuhren wir somit in die Abfahrt, welche uns via WM Flowtrail zurück ins Tal bringen sollte. Nach wenigen Metern scherte dann Miltiadis mit einem Defekt aus und somit lag ich alleine an der Spitze.
Jetzt musste ich die Gunst der Stunde nutzen, doch mir jagten Beeli und der Einheimische Barandun hinterher und nach einem kurzen Gegenanstieg war es dann im letzten Abschnitt des darauffolgenden Fopettas Flowtrail geschehen und die beiden waren wieder dran. Das Mühsame am heutigen Tag war die Tatsache, dass wir Elitefahrer wie bereits gestern zu Beginn eine Zusatzschlaufe fahren mussten und bereits am Anstieg auf die ganzen Fun-Fahrer auffuhren. Bergauf ist das ja kein Problem und man kommt gut aneinander vorbei, doch in den engen Abfahrten ist es für beide Partien extrem mühsam. Dies führte auch heute wieder zu Rennentscheidenden Situationen und das ist irgendwie schade.
Als wir dann zurück auf dem Talboden waren, da waren nicht nur Beeli & Barandun zurück, auch Miller & Weber hatten in der Abfahrt unglaubliche 2 Minuten zugefahren! Vor uns lagen nun nochmals 25 Km und diese waren wie am Vortag ausser zwei etwas längeren Anstiegen extrem coupiert. Nach dem ersten der beiden nennenswerten Anstiegen fiel Miller durch einen kleinen technischen Defekt zurück und unmittelbar nach der Abfahrt attackierte Weber. Beeli schloss auf dem Flachstück erneut die Lücke und während das Rennen um die Gesamtwertung abermals neutralisiert wurde, nutzte ich die Gunst der Stunde und attackierte meinerseits, in der Hoffnung auf den Tagessieg. Ich kam tatsächlich etwas weg, doch vor mir lag noch einmal ein etwas längerer Anstieg und als ich an diesem zurückblickte, waren Beeli & Barandun ohne Weber im Anflug.
Diese Situation war nun schlicht perfekt für mich, denn so konnte ich die verbleibenden Km mit den beiden mitfahren. Während Barandun den Vorsprung auf Weber verwalten musste, stand Beeli seinem Freund (die beiden fuhren das Cape Epic und werden auch das Swiss Epic gemeinsam fahren) stets zur Seite und ich müsste von der Situation profitieren und mir theoretisch den Etappensieg sichern können. Der Lokalmatador zeigte nicht nur ein extrem beherztes Finale, indem er seinen zweiten Gesamtrang damit festigte, er war natürlich auch noch am Etappensieg in der Heimat interessiert und so kam es wie bereits auf der ersten Etappe zum Sprint zwischen mir und Barandun. Beeli hielt sich raus und fuhr uns beiden sozusagen den Sprint an, welchen ich am Ende erneut für mich entscheiden konnte. Ausgang hin oder her, am Ende war es ganz einfach einmal wieder ein richtig „geiles“ Finale mit guten Rennfahrerkollegen, das extrem viel Spass machte! Danke Andrin und Fadri und Glückwunsch zu euren starken Leistungen!
In der Endabrechnung schob ich mich noch auf den vierten Gesamtrang vor, doch dieser spielte keine Rolle mehr. Für mich nahm die Teilnahme beim Engadin Bike Giro damit ein versöhnliches Ende, denn ich kann jetzt schon sagen, dass ich nicht mehr zu diesem Rennen zurückkehren werde. Obschon es heute richtig gut lief und ich am Anstieg laut Strava sogar Bestzeit fuhr, so spürte ich vor allem am gestrigen Tag einmal mehr, dass ich mich für solche Rennen einfach nicht mehr genügend motivieren kann. Blühte dieses Rennen in den Anfangsjahren so richtig auf, so glich die diesjährige Austragung auch von der Seite des Veranstalters einer regelrechten «Trauerveranstaltung».
Obschon es ein UCI Rennen war, so frage ich mich, mit welcher Arbeit die Kommissäre ihre Funktion rechtfertigen! Keine Startaufstellung wie eigentlich vorgegeben (das war ja auch egal, doch es geht ums Prinzip, denn wenn die Socken zu hoch sind, gibt es auch eine Strafe ….), ungenügende Sicherheitsvorkehrungen und absolut sinnlose Rennabläufe (Timing mit den Funfahrern). Wäre einer von uns Elitefahrern auf der zweiten Etappe in der technischen Abfahrt ganz oben am Berg gestürzt und hätte sich etwas Ernsthaftes zugezogen, so wüsste ich nicht, wie lange derjenige da oben gelegen hätte, bis ihm jemand hätte helfen können. Es war nämlich die gesamte Abfahrt kein einziger Streckenposten zu sehen! Dass wir Elitefahrer an zwei Tagen auf die gesamten Funfahrer auffahren und bei den Überholmanövern beide Partien gefährden, nerven und «belästigen», wäre ganz einfach zu umgehen gewesen. Wenn uns unmittelbar nach dem Start bei zwei Etappen ein Auto direkt entgegenkommt dann frage ich mich schon ein wenig, wie gut der zuständige Polizist an der Kreuzung über den Ablauf informiert wurde. Ich kritisiere eigentlich nicht gerne, denn am Ende bin ich um jeden Veranstalter froh und da ich selber bei unseren Heimrennen viele Jahre mithelfe weiss ich, wie schwierig es ist. Doch wenn ich die Startgelder der verschiedenen Rennen vergleiche, dann müssen sich gewisse Events ganz einfach nicht wundern, wenn jedes Jahr weniger Leute am Start stehen……
Trotz des faden Beigeschmackes war es einmal mehr ein tolles Wochenende im Engadin und wir hatten auch neben den Rennen eine sehr gute Zeit auf dem Campingplatz in Pontresina. Am Abend vor meiner Heimreise stellte ich noch das Wohnmobil auf einen anderen Platz, denn meine Frau wird sich die kommenden Wochen im Engadin auf die WM vorbereiten und ich stosse dann nach dem Abstecher in die USA die letzten Juliwochen auch wieder dazu! Nun heisst es aber zuerst einmal packen, ehe ich am Dienstag nach Las Vegas fliege.
Die Motivation und das Selbstvertrauen sind auf jeden Fall wieder da, wo sie sein sollten!
Full Gaz!