Eines der absolut geilsten Gefühle für mich als Sportler sind die Tage, an denen man am Ende sagen kann, dass man sein absolutes Maximum geben konnte und wie eine ausgepresste Zitrone das Ziel erreicht. Heute waren nicht nur die Beine top, ich fuhr ein Rennen, bei dem ich das letzte Energiekorn aus meinem Körper presste und bis auf einen kleinen Fehler nach dem Start «without regrets» die 4.09 Rennstunden, 110 Km und 2’700 Hm hinter mich brachte. Das Rennen war brutal und von A bis Z einfach immer nur Vollgas.
Glücklicherweise erwachte ich heute mit richtig guten Beinen, endlich, denn darauf hatte ich während meiner gesamten Afrikazeit vergebens gewartet. Wie im Vorbericht schon angedeutet kenne ich aber inzwischen meinen Körper ziemlich gut und so täuschte mich mein Gefühl in den Vortagen nicht und die Erfahrung half mir, dass ich es praktisch auf den Punkt genau richten konnte. Die Sea Otter Classic war ja von Beginn weg mein erstes Top-Ziel und dementsprechend gross war auch die Anspannung.
Heute hatte dann um 9.05 Uhr das Warten endlich ein Ende und neben den 35 auserwählten Fahrern der Lifetime Serie (es waren fast alle anwesend) stellten sich noch viele weitere Elitefahrer mit an den Start (Amerika ist ja auch ziemlich gross). Einer davon war der frisch gekürte Cape Epic Sieger und ehemalige Shortrack Weltmeister Christopher Blevins und so kannte ich immerhin ganze 4 Fahrer am Start! Dieser erfolgte dann auf der Autorennstecke von Laguna Seca und nach der ersten langgezogenen Linkskurve ging es ca. 300 Meter leicht ansteigend, ehe eine weitere Linkskure und anschliessend 50 Meter Sand folgten. Bei jener Stelle wurden wir von der Hauptrennbahn auf die Seitenlinie gezogen und es wurde ausserdem für gut 200 Meter richtig steil. Nach der Kuppe folgte dann ziemlich rasch die Einfahrt in den ersten langen Singletrail und genau deshalb war der Start so entscheidend. Ich kam am Anfang relativ gut weg, doch als es in den Sand ging war ich zu weit auf der Seite und verlor kurz an Speed, ehe ich danach wieder sprinten konnte. Das Problem bei einem solchen Start ist die Tatsache, dass man eigentlich «all in» gehen muss, doch wenn einem in diesem Fall das Laktat zu früh in die Beine schiesst, dann wars das und so kann man eben doch nicht einfach volle Kanne drauftreten. Leider erreichte ich mein Ziel nicht und so bog ich nur an ca. 18ter Stelle in den Trail ein.
Rückblickend und eigentlich auch erwartungsgemäss war dies die Entscheidung des Tages, denn nach wenigen Metern im Trail ging vor mir auch bereits die erste Lücke auf, da offensichtlich nicht alle auf demselben technischen Level fuhren. Neben mir zwangen sich noch weitere an jenem Fahrer vorbei und ich wiederum konnte ebenfalls ein paar überholen, doch die Überholmanöver in den steilen Rampen kosteten sehr viel Kraft. Eine andere Option blieb so oder so aus, denn ich wusste, dass ich die entstandene Lücke möglichst schnell schliessen müsste. Leider waren in der Spitzengruppe fast alle Hochkaräter mit dabei und dementsprechend wurde natürlich auch vorne voll gefahren. Als es dann nach 8 Km endlich für kurze Zeit aus dem Trail ging, da befand ich mich praktisch in der ersten Verfolgergruppe mit vier Begleitern und vor uns bildeten deren 8 Fahrer die Spitzengruppe. Da die Strecke immer wieder in Singeltrails führte, konnte man eigentlich nie den Abstand nach vorne sehen und so erhielten wir die erste Durchsage bei der Techzone nach knapp 20 Km, 1 Min!
Die Strecke liess eigentlich so oder so keinerlei Verschnaufpausen zu und zum Glück drehten meine Beine so gut, dass mir die Hauptarbeit nicht viel ausmachte. Ich versuchte mich auch nicht gross zu ärgern, dass ich den Anschluss am Anfang verpasste, sondern akzeptierte die Situation wie sie ist und hoffte, dass ich in der zweiten Runde dann nicht für den ganzen Effort bezahlen würde. Immerhin besteht stets die Möglichkeit, dass sich die Spitzengruppe für kurze Zeit nicht einig wäre und dann hätte man 1 Minute auch ziemlich schnell zugefahren. Ausserdem würde auch unsere Gruppe von aufschliessenden Fahrern gestellt, würden wir nicht zusammenarbeiten und ein insgeheim anvisierter Top 10 Platz lag ja in jener Rennkonstellation bereits im Bereich des Möglichen.
Obwohl es sich ultraschnell anfühlte, wuchs unser Abstand kontinuierlich an und betrug bei der ersten Zieldurchfahrt exakt 2 Minuten. Ehrlich gesagt wusste ich nicht, wie wir nochmals eine zweite Runde in dem Tempo schaffen würden und mein Gefühl täuschte mich auch diesmal nicht. Meine Begleiter sahen irgendwie nicht mehr so gut aus und einer fiel sogar relativ früh aus der Gruppe und ein anderer lieh kurz danach mein Tool und fixierte seine Sattelstütze, wobei er ebenfalls den Anschluss verlor. So waren wir nur noch zu dritt, doch es lag nun leider praktisch ausschliesslich an mir, das Tempo hochzuhalten.
Nach 80 Km verabschiedete sich dann ein weiterer Begleiter und der Blick zurück war leider auch nicht so erfreulich, denn hinter uns schien eine Gruppe immer näher zu kommen. So langsam aber sicher leerten sich auch meine Batterien und von der Gruppe vor uns war schon lange nichts mehr zu sehen.
Wir fuhren eine Weile zu zweit weiter und plötzlich tauchte dann doch endlich ein Fahrer vor uns so war die Flamme neu entfacht. Das Ende der Strecke war besonders hart, denn es folgte der längste Anstieg des Tages und dieser schlängelte sich erst einen Singletrail hinauf und anschliessend zermürbten ein paar Steile Rampen die Beine komplett. Kurz vor dem Trail hatten wir jenen Fahrer vor uns gestellt und inmitten des Trails «explodierten» meine beiden Begleiter endgültig. Das eingeläutete Finale zwischen uns drei war somit beinahe neutralisiert, doch was war mit der Gruppe hinter uns? Obwohl mich meine Begleiter freundlich passieren liessen, konnte ich selber kaum noch zusetzen. Es bahnten sich nämlich Krämpfe an und so musste ich extrem aufpassen. Nach dem Trail hatte ich dann doch bereits eine Lücke und was war den das vor mir ….. es tauchte tatsächlich ein rotes Specialized Trikot vor mir auf. Eigentlich konnten meine Beine nicht mehr und es lagen noch die drei steilsten und längsten Anstiege vor mir doch da der vor mir liegende Fahrer offensichtlich ziemlich am Ende seiner Kräfte war, versuchte ich es noch ein letztes Mal mit der Brechstange, mit Erfolg!
Am Ende wurde es Rang 6, 5 Minuten hinter dem Podest um Epic Sieger Blevins (das sah vor 3 Wochen noch ganz anders aus) und 1.40 Min auf Rang 5. Rückblickend frage ich mich, was wohl mit mir passiert wäre, wäre ich zu Beginn in der Spitzengruppe mitgefahren. Wahrscheinlich hätte es mich ebenfalls «aufgestellt» und somit konnte ich mit dem verpassten Podest trotzdem und meiner Aufholjagt sehr gut leben. Von den Lifetime Grand Prix Fahrern war ich der vierte und somit habe ich auch da das Podest zwar knapp verpasst aber nun bereits ein sehr gutes Resultat und vor allem wichtige Punkte in der Tasche!
Während ich das Podest knapp verpasste, reichte es bei Vera für Rang drei!
Heute war also seit langer Zeit wieder einmal ein Rennen, bei dem ich einfach nur super happy über meine gezeigte Leistung bin und dieses Selbstvertrauen nehme ich nun gerne mit nach Marokko! Morgen Sonntag gibt’s nochmals eine Trainingsrunde um Monterey und dann geht’s bereits am Montagabend zurück in die Schweiz. Ein Abstecher via Silicon Valley sollte also auch noch drin liegen und danach bin ich mal gespannt, wie hart uns der Jetlag auf dem umgekehrten Weg zusetzt. Viel Zeit zur Umstellung bleibt ja nicht, denn am Freitag geht’s nach Barcelona und am Samstag nach Marokko!
FullGaz weeks ahead!