Rennberichte

„The sad truth of World Champs“! Eine WM mit Beigeschmack.

Lagebericht 2.2

Es ist sehr lange her, seit ich mich das letzte Mal an den Start einer Marathon Weltmeisterschaft gestellt habe. Genauer gesagt war es im Jahr 2013!! in Österreich. Die Gründe dafür sind vielseitig, doch hauptsächlich ging es mir stets um die Handhabung seitens Schweizer Verbandes Swiss Cycling.


Dass der Marathonsport keine grosse Wertschätzung und Bedeutung geniesst, damit habe ich mich schon länger abgefunden und trotzdem bin ich der Meinung, dass man innerhalb eines Verbandes sämtliche Sportarten mit dem nötigen Respekt behandeln sollte. Mir ist auch klar, dass die Cross Country Disziplin die „Formel 1“ des Bikesports symbolisiert und mit den Schweizer Aushängeschilder auch grosse internationale Erfolge und viele Medaillen bei sämtlichen Grossanlässen erzielt und somit Gelder des Bundes (Swiss Olympic) generiert werden. Trotzdem ist der Marathonsport wohl auch in der Schweiz noch immer eine Form des Bikesport, die auch von der breiten Masse her oft betrieben wird. Viele der Hobby-Fahrer sind bestimmt auch Swiss Cycling Mitglieder, die schön brav ihren Jahresbeitrag zahlen, geschweige denn von uns Elitefahrern, die jährlich rund 520.- Fr. für die Lizenz ausgeben.

Eine Nationalmannschaft gibt es schon lange nicht mehr (sie wurde gerade abgeschafft, als ich Elitefahrer wurde) und dementsprechend hatte ich in meiner gesamten Laufbahn keinerlei Unterstützung Seitens Verbandes.
Dies war nicht einmal bei der Heim-WM in Grächen der Fall. Als langjähriger Profifahrer, Swiss Cycling Mitglied und aktueller Schweizer Meister muss ich nun bei der WM das Trikot (nur kurz / kurz) beim Verband ausleihen und selbst die lächerliche Einschreibegebühr von 30 Euro muss jeder selber zahlen. Geschweige denn von den ganzen übrigen Kosten (Reise, Unterkunft usw….) und auch die Betreuer müssen selbst gestellt werden. Es kann sein, dass es im September in Dänemark kalt ist (am Samstag sind Regen und max 16 Grad gemeldet) und wer weiss, vlt steht ja doch plötzlich ein Schweizer auf dem Podium. Bedauernderweise wird derjenige wohl mit demselben Trikot auf dem Podest stehen, mit dem er zuvor 4,5 Std. durch den Dreck gefahren ist. Die zwei daneben und der Veranstalter werden sich freuen….. wie ich als „Warmduscher“ das Rennen bei tiefen Temparaturen überstehen soll, weiss ich aktuell noch nicht, denn man muss ja das Nationaltrikot tragen!

Es geht und ging mir noch nie ums Geld, sondern einzig allein um die Wertschätzung eines Verbandes, bei welchem die Mittel und Betreuung bei anderen Disziplinen bereits im Juniorenalter nicht gerade zu kurz kommen (Trainingslager usw…. ) und meiner Meinung nach sämtliche Disziplinen Schweizer Standarts würdig behandelt werden sollten! An dieser Stelle kann ich fairerweise noch erwähnen, dass es für die drei besten Schweizer eine Präme von 500.- Fr. gibt.

Der Start bei einer WM sollte eine Ehre sein und die Selektion dafür der Verdienst einer guten Saison. Das Problem beim Marathonsport ist, dass es diese Rennen nicht wirklich gibt (Qualirennen vom Verband) und man einzig und alleine eine Top20 Platzierung bei einem UCI Marathon vorweisen muss. Der Verband hat 10 Startplätze zu vergeben und wenn dann plötzlich ein namhafter Cross Countryfahrer wie letztes Jahr Nino Schurter oder früher Christoph Sauser eine WM fahren wollen, dann kann man diese ja schlecht zu Hause lassen. Dafür kann dann halt evtl. ein sonst qualifizierter Marathonfahrer nicht mitmachen. Es ist also nicht ganz so einfach und so wie es jetzt läuft, fährt und macht einfach jeder sein eigenes Ding und man sieht sich dann vlt kurz an der Startlinie oder anschliessend im Rennen. Eine gemeinsame Delegation mit dem Teilen dieses Anlasses wäre aber bestimmt für die Meisten ein unvergessliches Erlebnis ihrer Karrieren! So hatte ich bei der heutigen Streckenbesichtigung oder bei der gestrigen Ankunft am Flughafen etwas neidisch aber auch traurig auf die geschlossenen Delegationen wie Italien, Spanien, Tschechien oder USA geschaut, als ich mit meiner Frau alles alleine machte!

Dass es sportlich keinen Stellenwert haben soll, dem widerspricht die diesjährige Startliste! Auch aus dem Cross Country Sport stellt sich so einiges was Rang & Namen hat an den Start, denn die Strecke verspricht mit ihren 3 Runden à 40 Km und 500 Hm ein 4 stündiges Cross Countryrennen und der Ausgang bei der diesjährigen WM ist so offen wie sonst nie.

Dies ist und war auch für mich ein Punkt, wieso ich das Erlebnis WM noch einmal in meiner Karriere erleben wollte. Wer weiss, wie lange diese noch dauert…. Hauptgrund war allerdings die Begeisterung meiner Frau dafür und der Ausflug nach Dänemark, wo ich sie auch unterstützen wollte.

Wir sind am Dienstagmorgen früh zum Flughafen nach Barcelona gefahren und nach Hamburg geflogen. Von da ging es mit dem Mietauto weiter, ehe wir am Abend in Hadersleben (Dänemark) angekommen sind. Am Donnerstag stiessen Vera’s Eltern zu uns und werden uns beim Rennen betreuen. Sie verbinden ihren Europaurlaub mit der WM und am nächsten Sonntag werden wir alle gemeinsam zurück nach Barcelona und Region Girona reisen, wo wir den nächsten Rennen nachgehen werden.

Resultatmässig gehe ich absolut ohne Erwartungen oder Druck ins Rennen. Wie schon gesagt ist bei dieser Strecke eigentlich so ziemlich alles möglich und es braucht wohl neben taktischen Fähigkeiten auch sehr viel Durchsetzungsvermögen in den Positionskämpfen. Diese werden wohl über die gesamte Renndauer andauern und eigentlich mag ich dieses Gerangel überhaupt nicht. Meine Startposition (43) ist leider auch nicht gerade vielversprechend und ein grosses Handicap, da ich nicht viele Punkte sammelte und mir die möglichen Punkte vom Cape und Swiss Epic fehlen. Der Start wird also entscheidend sein und ich hoffe, dass ich mich da irgendwie nach vorne arbeiten kann. Falls es am Ende nichts wird, dann werde ich auch damit leben können. Die WM hat leider auch vertragstechnisch selbt bei Spitzenplatzierungen nicht mehr viel an Bedeutung und trotzdem hätte es mich in diesem Jahr extrem geärgert, wenn ich bei der bevorstehenden Show nicht dabei gewesen wäre (es sind ganz einfach Alle da!). Jetzt liegt es einzig an mir, über die Gegebenheiten hinweg zu kommen, denn obwohl es mir schwer fällt mit den Hintergründen ins ausgeliehene Trikot zu steigen, werde ich die diesjährige WM aus Leidenschaft zu meinem Sport und für mich persönlich fahren und versuchen zu geniessen!

Obwohl die Strecke sehr speziell ist, so mag ich sie sehr! Es sind gefühlte 100 Kurven und unzählige Singletrails verteilt auf den 40 Km pro Runde vorhanden und es ist für einmal etwas ganz anderes als die herkömmlichen Rennen mit vielen Hm und ohne technischen Herausforderungen. Obschon es eine ziemlich offene Ausgangslage gibt, wird sich am Ende ein absolut verdienter und „Marathon“ -würdiger Fahrer und bestimmt kein Zufallssieger zum Weltmeister küren! Dafür wird das Rennen und die Strecke über die Distanz von 120 Km zu hart werden!

Der Startschuss fällt am Samstag um 8.30 Uhr!

FullGaz