Als Marathon Mountainbiker braucht man vor allem eines, Ausdauer! Doch obschon ich das bei meinen Leistungen verkörpere, ist es leider eine Gabe, die mir bei Rückschlägen und Enttäuschungen fehlt! Auch in Sachen Nerven bin ich ziemlich schlecht bedient und auch wenn ich schon sehr lange versuche daran zu arbeiten, habe ich bisher noch kein richtiges Rezept dazu gefunden. Einzig der Faktor Zeit und Distanz scheint ein wenig zu wirken und so kommt wohl auch das Sprichwort « Zeit heilt Wunden» nicht von ungefähr!
Ein Ausfall durch Corona musste wohl irgendwann kommen, doch dass dieser auf diese Art und Weise und ausgerechnet beim Cape Epic kommen musste, damit kann ich bis heute nicht umgehen. Bereits 2020 machte mir dieses Virus das erste Mal einen Strich durch die Rechnung, als das Rennen keine 48 Stunden vor dem Start pandemiebedingt in letzter Sekunde abgesagt wurde und wir Hals über Kopf das Land verlassen mussten. Doch während es damals alle getroffen hatte, waren wir diesmal eine Ausnahme!
Das Schlimme an der ganzen Sache ist vor allem die Tatsache, dass es eben nicht nur ein Eintagesrennen, sondern der Höhepunkt einer «Reise» ist, die mir gefühlt «genommen» wurde! Später in der Saison folgt praktisch jedes Wochenende Rennen auf Rennen und so ist es nicht so schlimm, wenn man mal eines auslassen muss. Das Cape Epic bildet jedoch das Tüpfchen auf dem i, es ist die Krönung einer 3-monatigen Vorbereitung, der Abschluss des harten Wintertrainings und das erste grosse Rennen des Jahres. Es ist die gefühlte «Rechtfertigung», wenn man im Winter in den Süden reist, damit man vlt. noch ein paar Kilometer mehr sammeln kann als in der kalten Schweiz. Es ist die Rechtfertigung, weshalb man bereits an Weihnachten nicht bei jedem Familienanlass über den Hunger isst oder an Silvester über den Durst anstösst! Es ist der Grund, weshalb man bei schlechtem Wetter bereits im Dezember stundenlang in der Garage auf dem Hometrainer seine Intervalle fährt, man ab Januar die Tage herunterzählt und ab Februar langsam nervös auf die immer noch fehlende Form wartet!
Das Cape Epic nimmt einem mit auf eine Reise und ein erfolgreicher Abschluss wäre die Krönung des ganzen «Investments», sozusagen der letzte Eintrag ins Hüttenbuch beim Besteigen eines Berges! Für uns Europäer stellt der Aufbau oftmals eine grosse Herausforderung dar, denn es gibt praktisch keine Rennen, um sich in Form zu fahren und genau deswegen ist die Spannung und Vorfreude umso grösser. Dank meinen Aufenthalten in Südafrika in der Vergangenheit hatte ich stets die optimalen Bedingungen gehabt und ich wäre auch jedes Mal in einer ansprechenden Form gewesen.
Doch noch selten zuvor hatte ich ein solch gutes Gefühl wie in diesem Jahr. Die gesamte Vorbereitung lief wie am Schnürchen und bei meinen Intervallen fuhr ich überall Bestwerte. Seit langem war da wieder einmal diese Leichtigkeit auf dem Rad, welcher ich seit 2019 hinterherrenne, dieser Spass auf den Trails (2017 waren mir die Trails rund um Stellies regelrecht verleidet) und ganz einfach die Freude am Sportlerdasein. Das Setup hatten meine Frau und ich selber zusammengestellt und das Team war die Woche vor dem Startschuss bereit, die Reise gemeinsam zu beenden und die Lorbeeren zu pflücken!
Nun fehlt der Eintrag im Gipfelbuch, das Happy End der Geschichte und statt Ruhm und Ehre bleibt eine weitere bittere Enttäuschung! Doch neben der Enttäuschung plagt mich vor allem diese eine Frage…. zu was hätte unsere Form in diesem Jahr gereicht?!! Eine Frage, auf die ich leider nie eine Antwort bekommen werde! Doch nicht nur der verpassten Rangierung trauere ich nach, auch die ganzen Emotionen, das Leiden, die Freude und die Genugtuung wurden mir «genommen». Auch nach 12 Jahren als Profifahrer lebe ich noch immer für den Rennsport und genau diese Emotionen spornen mich im tagtäglichen Training an!
Was bleibt ist momentan eine extreme Leere und es fühlt sich an, als hätte ich die letzten 3 Monate für nichts gearbeitet. Dies stimmt natürlich nicht ganz, denn trainieren hätte ich sowieso müssen und auf den Aufbau kann ich auch im weiteren Saisonverlauf zurückgreifen! Das Sportlerdasein wird aber am Ende doch damit gerechtfertigt, dass man sich bei Wettkämpfen misst und da ich seit einem Jahr mein eigenes Team mit privaten Sponsoren führe, fühlt sich ein Ausfall leider auch da etwas anders an. Ich bin nicht mehr der Marketingmitarbeiter im Aussendienst, der für eine Grossfirma arbeitet, sondern ein Selbstständiger, der versucht, das Vertrauen in seine Person bestmöglich umzusetzen. Das Schöne an meiner Aufstellung ist, dass ich auch in schwierigen Zeiten durch persönliche Gespräche viele aufmunternde Gespräche und Worte von Seiten meiner Sponsoren erhalten habe! Danke!
Es gibt auch nicht wirklich einen Schuldtragenden, denn obschon ich weiss, dass ich das Virus von meiner Frau «bekommen» habe, wissen wir nicht, wo sie es aufgelesen hatte! Fakt ist, dass es uns beide ziemlich hartnäckig erwischt hatte und das ist für mich auch das einzig Gute an der Sache. Die Woche während dem Epic wäre ich zu keinem Zeitpunkt in der Lage gewesen, auf irgendeine Weise Fahrrad zu fahren. Glücklicherweise hatte ich kein Fieber, doch die restlichen Symptome waren alles andere als angenehm!
Damit ich möglichst schnell Abstand vom Rennen hatte, reisten wir bereits am Dienstag von der Region ab und buchten uns in einem kleinen Dörfchen an der Westküste, gut 90 Minuten von Kapstadt entfernt und direkt am Meer gelegen ein. Sören und Vera’s Partnerin hatten ihre Flüge umgebucht und reisten ebenfalls vorzeitig nach Hause. Die frische Meeresluft sollte uns helfen, doch leider ging es nicht so schnell wie erhofft und es war Geduld gefragt. Eigentlich wollten wir nach dem Epic via Westküste zurück nach Namibia reisen, doch so wurde auch dieser Plan über den Haufen geworfen und wir mussten alles umplanen. So kam es nun, dass wir nach einer Woche Meer zurück ins Inland an einen Ort reisten, wo wir auch wieder mit leichtem Training anfangen konnten.
Die letzten Tage sass ich also wieder etwas auf dem Rad, doch Training kann man das Ganze nicht nennen (besseres Spazieren gehen) und es fühlt sich an, als wäre von der guten Form kein bisschen mehr übriggeblieben. Nun reisen wir Morgen Samstag zurück nach Namibia, wo wir im Süden des Landes noch eines unserer Hochzeitgeschenke einlösen werden. Eine 3 Tageswanderung inmitten der Wüste wartet auf uns und ich hoffe, dass ich danach wieder voll gesund sein werde. Am Donnerstag geht es für uns schliesslich zurück in die Schweiz und von da aus praktisch direkt weiter nach Spanien. Doch genauere News dazu folgen zu einem späteren Zeitpunkt.
Obschon ich in meiner Karriere schon einige Rückschläge verarbeiten musste (mehrheitlich beim Cape Epic), so scheint es mich bei diesem Mal im tiefsten Innern getroffen zu haben. Dass das Leben nicht immer nach Plan läuft, ist «der Lauf des Lebens» und genau deswegen arbeiten wohl auch viele Sportler mit mental-Trainern. Ich war bereits bei fünf verschiedenen Spezialisten in der Praxis, doch ausser dass ich jedes Mal heulend auf dem Stuhl sass und wir jedes Mal zum selben Schluss kamen, hat es für mich leider nichts gebracht. Ich bin ein Realist und weiss genau wo die Probleme stecken, angehen und umsetzen muss ich es am Ende jedoch ganz alleine.
Die grössten Leitragenden sind dabei leider stets die Leute in meinem engsten Umfeld und zum Glück habe ich da in jener Hinsicht auch meine zwei grössten Vorbilder. Es gibt wohl kaum grössere Optimisten als mein Vater und meine Frau und dank ihnen werde ich wohl auch dieses Mal mein Tief überwinden und hoffentlich zurückkommen! Das nächste grosse Ziel kommt zum Glück bereits im Mai, denn dann werde ich versuchen, meinen Titel beim Titan Desert in Marokko zu verteidigen. Es ist also nicht mehr allzu viel Ausdauer gefragt und wenn alles gut läuft, dann werde ich bereits davor wieder Rennfahrer Emotionen erleben dürfen!
Stay tuned!
Hier noch ein paar Impressionen des letzten Titan Deserts. Wer noch kurzfristig ein Abenteuer sucht, man kann sich noch anmelden!