Rennberichte

Vom Dach zur Tortour Gravel in der „Pause“!

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Wauw, was für ein Weekend! Auch mit 32 Jahren und einer schon langen Fahrradkarriere gibt es noch immer Premieren für mich! So startete ich dieses Wochenende zu meinem allerersten Gravel  Rennen, der Tourtour Gravel in Zürich!

Dieser noch junge Sport ist vor allem in den USA mächtig am „boomen“ und aufgrund der Tatsache, dass sich jüngst immer mehr namhafte Strassenfahrer in dieser Disziplin versuchen, steigt auch bei uns in Europa das Interesse an dieser Sportart. Doch was ist das eigentlich genau, dieses Graveln?? Ich erlebte bei meiner Premiere Adrenalinschübe und Angstzustände gleichzeitig!

Ich bin mir hohe Geschwindigkeiten auf dem MTB im Gelände gewohnt, doch wenn man mit knapp 70 km/h auf einem Gravelbike einen Kiesweg im Wald hinunter donnert, dann darf man sich nicht allzu viele Gedanken über was wäre wenn… machen! Die Gravelbikes sind im Grunde etwas massivere  Strassenräder mit halbwertigen MTB Reifen. Ich hatte einfach bei meinem alten Crossrad etwas breitere Reifen montiert, doch diese waren dann eher grenzwertig und daher wohl auch die Angstzustände! Mit einem breiten MTB Lenker und den grossen Laufräder mit Profil fühle ich mich stets ziemlich sicher. Auch die Federgabel und das Reifenvolumen schlucken ganz schön viel und so kommt man bei einem Schotterweg nicht wirklich ans Limit! Auf dem Gravelbike sieht das ganz anders aus. Ohne Federgabel schlägt es einem schon bei den kleinsten Unebenheiten, Wurzeln oder Steinen den Lenker beinahe aus den Händen und man muss unglaublich aufpassen! Knautsch oder Reservezone, fehl am Platz! Einmal versteuern oder zu spätes Anbremsen und das wars! Dafür ist der Speed auf den Flachstücken auf den Schotterwegen richtig krass und schneller als mit einem MTB! Dies alleine schon aufgrund der aerodynamischeren Position auf dem Fahrrad!

Der Event „Tortour“ ist ja vor allem den Strassenfahrern ein Begriff und ein beliebter Event im August. Seit einigen Jahren gibt es zum Saisonschluss nun auch die Tortour Gravel, doch da ich in den letzten Jahren um diese Zeit stets im Ausland war, konnte ich noch nie teilnehmen. Dieses Jahr fand das Rennen ausserdem das erste Mal in Zürich und somit vor meiner Haustüre statt! Die Strecke von der zweiten Etappe kannte ich sogar im Schlaf, führte die Etappe schliesslich über meine meist befahrenen Trainingsstrecken!

Meine Teilnahme hinterfragte ich dann trotzdem bis zuletzt, denn meine Vorbereitung war alles andere als optimal. 72 Stunden nach dem Startschuss zur letzten Etappe des Titan Deserts stand ich um 7 Uhr auf der Baustelle und arbeitete bis zur Tortour auf dem Bau. Vor allem die erste Woche hatte ich ziemlich zu kämpfen und lag wie ein 1. Jahr Lehrling um 20.30 Uhr K.O. im Bett! Die vergangene Woche ging es dann ein wenig besser und so schaffte ich es insgesamt zweimal kurz aufs Fahrrad, ehe ich am Freitagnachmittag beim Start zum Prolog stand!  

Direkt hinter dem Hotel Zürichberg galt es, 6 Runden à 3.5 Km zu absolvieren. Damit der Schock für mein System nicht allzu krass würde, fuhr ich mich wenigstens gut ein und von der Einstellung her hätte ich es auch akzeptiert, wenn ich voll eins auf den Deckel bekommen hätte! Zum Glück war dann zu meiner Überraschung das Gegenteil der Fall und am Ende konnte ich das Rennen sogar gewinnen!

Die zweite Etappe wurde dann bereits um 8 Uhr gestartet und so fuhr ich noch im Dunkeln und im starken Nebel zum Start. Die Etappe führte über  90 Km und 1‘500 Hm ins Zürcher Unterland. Die erste Hälfte war mir unbekannt und die zweite Hälfte kannte ich dann wieder bestens. Das Tempo war von Beginn weg sehr hoch und die ersten 25 Km blieb eine grössere Spitzengruppe zusammen. Danach folgte ein längerer Anstieg und da forcierte Rohrbach das Tempo solange, bis nur noch ich an seinem Hinterrad war. Leider hatte ich eine falsche Übersetzung drauf (viel zu streng, 42 vorne und 10-32 hinten) und ich verbrauchte viel zu viel Kraft. (Mein Rad fahre ich sonst nur auf der Rolle im Winter) Oben warteten wir dann kurz auf den Ironman Weltmeister von 2014 Sebastian Kienle, denn dieser hat auf der Fläche mächtig Dampf und dies würde uns im Rest der Etappe nur zu Gute kommen!

So kam es dann, dass wir bis zuletzt zu Dritt durch den dichten Nebel heizten! Die Durchschnittstemperatur betrug über die gesamte Strecke 3 Grad und genau dies wurde mir am Ende zum Verhängnis!  Es ist lange her, dass mir sowas das letzte Mal passierte aber ich fuhr in einen regelrechten Hungerast und hatte alle meine Gels aufgebraucht! Das Pulver war verschossen und „der Stecker gezogen“, als wir das Finale erreichten! So kam es, dass ich Rohrbach beim letzten Anstieg vor dem Ziel kraftlos und ohne Gegenwehr hatte ziehen lassen müssen und auch der vorher abgehängte Kienle fuhr schliesslich nochmals zu mir auf. Zwei grobe Fehler meinerseits (falsche Übersetzung und zu wenig Verpflegung), über die ich mich schliesslich mächtig ärgerte, denn die Beine hätten an diesem Tag für mehr gereicht!

Die dritte Etappe war dann nicht nur wegen der Zeitumstellung etwas angenehmer, sondern auch das Wetter zeigte sich von der besten Seite und dank dem einsetzenden Föhn stiegen die Temperaturen über meine Schmerzgrenze von 10 Grad!! Die Beine fühlten sich wieder gut an und trotzdem glaubte ich nicht daran, dass ich auf der über 70 Km führenden Etappe noch etwas ausrichten konnte.  Der Schluss war zu wenig selektiv wie am Vortag und trotzdem gab es die eine oder andere Stelle, bei der ich es versuchen wollte. Schliesslich kannte ich ja jeden Meter der Etappe!

Die ersten 40 Km waren sehr schnell und es kam mir vor, als wäre ich bei einem belgischen Frühjahrslassiker! Erst danach folgte der Anstieg hinauf Richtung Pfannenstil und da konnte ich mich mit Rohrbach vom Rest der Gruppe absetzen. Gemeinsam fuhren wir die verbleibenden Km bis ins Ziel und über den Ausgang des Rennens äussere ich mich an dieser Stelle lieber nicht. Am Ende wurde es der zweite Gesamtrang und obwohl ich dieses Rennen ohne Vorbereitung und auch ohne grossen Erwartungen gefahren bin, wurmte es mich im Nachhinein doch ein wenig, dass ich es nicht seriöser genommen hatte.

Die Stimmung war auf jeden Fall sehr cool und auch die Kulisse und Location des Start und Zielbereichs sowie der abschliessenden Siegerehrung ist kaum zu toppen! Die Aussicht hinunter auf Zürich und die Berge im Hintergrund wird vor allem den Ausländischen Fahrern noch lange in Erinnerung bleiben! Es sollte vor allem eines mache, Spass und dieser kam def. nicht zu kurz!

Für mich geht es nun wieder zurück aufs Dach und das Fahrrad dient nochmals ein paar Tage als Staubfänger in der Garage, ehe ich das Training für mein letztes Rennen 2021 (Desert Dash in Namibia) in Angriff nehme!

Ein herzliches Dankeschön an dieser Stelle an die Organisatoren! Ein Rennen über die Wanderroute des Pfannenstils hielt ich bis zu diesem Wochenende für ein Ding der Unmöglichkeiten, umso cooler dass ich bei der Premiere dabei sein durfte!

https://www.gravel.tortour.com/