Rennberichte

6ter Sieg in Folge beim Desert Dash!

Zum Glück kann man bei einem Menschen nicht immer sofort sehen, wie es hinter der Visage zu und her geht, denn heute musste ich so ziemlich sämtliche Register der „Pokerfaces“ ziehen, damit ich die 373 Km überstehen konnte! Wenigstens weiss ich jetzt, wie sich ein Schwergewichtsboxer in der 10ten Runde fühlen muss, denn genau so erging es mir nach 180 Km! Taumelnd und ziemlich angeknockt konnte mich gerade noch knapp im „Rennen“ halten bevor es mir gelang, mich in der Verlängerung durchzusetzen!

373 Km auf dem Mountainbike sind eine ganze Menge und auch wenn ich Mittlerweilen eine grosse Erfahrung habe, müssen sie jedes Mal aufs Neue zuerst einmal gefahren und ohne Probleme überstanden werden. Ein weiteres Mal wurde ein 14.75 Stündiges Drehbuch der Extraklasse geschrieben und ich nehme Euch gerne mit auf meine Fahrt durch die Wüste von Windhoek nach Swakopmund! Viel Spass beim Lesen!

37 Grad zeigte das Thermometer, als mich meine Schwiegermutter beim Start abgeladen hatte und bei dieser Hitze ging es pünktlich um 14.30 Uhr los! Wie bereits vor einem Jahr starteten die Solofahrer mit 30 Minuten Vorsprung auf die 2er Teams, durch Corona und die Abstandsregeln wurden neu die 4er Teams noch einmal 30 Minuten später los geschickt. Dies bedeutete, dass uns Letztere wohl erst ganz am Ende des Rennens einholen würden, was für meine Taktik entscheidend sein könnte.

Mein grösster „Angstgegner“ hatte sich unglücklicherweise bei seinem letzten Training durch einen schlimmen Sturz schon vor dem Start aus dem Rennen gebracht, doch mit dem Vorjahreszweiten, dem Südafrikaner Dusty Day war ein harter Brocken mit dabei. Einer der grössten Gegner des Tages war auch dieses Jahr der starke Gegenwind, welcher erneut bis zur 180 Marke von Vorne oder der Seite blies. Das Tempo war dann auch von Beginn weg ziemlich moderat und durch die Hitze und Höhe war mein System ganz schön beschäftigt. Die erste Hürde, den Kupferbergpass nach 30 Km stetigem Anstieg erreichten wir in einer vierköpfigen Spitzengruppe, doch kurz danach verabschiedete sich ein weiterer Begleiter und so mussten wir zu Dritt gegen den Wind ankämpfen. Bei mir waren nur noch Day und der Namibier Martin Freyer, den ich schon sehr lange kenne aber nicht so richtig einschätzen konnte Ich versuchte ruhig zu bleiben, obschon mich dieses konstante Rauschen in den Ohren und die Tatsache, dass es ein langsames und somit sehr langes Rennen geben würde, beinahe wahnsinnig machten!

Nach der einzig längeren Abfahrt des Tages, dem Uispass nach 80 Km fing endlich mein Abschnitt an. Es folgten beinahe 100 Km ständiges Auf- und Ab und genau da konnte ich meine Konkurrenten bisher jedes Jahr „zermürben“. Bei der 100 Km Marke kam noch eine grosse Verpflegungsstelle, bei welcher wir zwangsläufig anhalten und unsere Flaschen füllen mussten. Unmittelbar danach folgte der längste Anstieg des Tages und da ich bereits vor dem Stopp ein paar Schwachstellen meiner beiden Begleiter bemerkte, wollte ich die Reaktion der Beiden bei einer Tempoverschärfung sehen. Einmal antreten und weg war ich, keine Gegenwehr und besonders der Südafrikaner machte einen ziemlich schlechten Eindruck.

Meine Taktik war, dass ich bis zum „halfway point“ bei 180km genügend Vorsprung herausfahren würde, damit ich mich kurz hinsetzen und in Ruhe verpflegen könnte. Falls meine Rechnung aufgehen sollte, dann würden kurze Zeit später die ersten 2er Teams ankommen und ich würde mich diesen „frisch gestärkt“ anschliessen können. So ballerte ich die gefühlten 1000 Anstiege hinauf und kämpfte alleine gegen den Wind. Mein Vorhaben schien aufzugehen und so hatte ich bei 135 Km bereits 7 Minuten Vorsprung und zum Glück waren auch die beiden hinter mir alleine unterwegs. Doch nach 160 Km liessen dann plötzlich meine eigenen Kräfte nach und unglücklicherweise war ich bezüglich Verpflegung auch nicht mehr bedient. Ui ui ui… ich befürchtete nichts Gutes! Als ich schliesslich ankam, hatte ich erstmal alle Hände voll zu tun, denn in meine Reifen musste für die zweite Hälfte mehr Luft rein. Als ich dies erledigt hatte, setzte ich mich hin und drückte mir ein Sandwich rein. Ich wollte auch dieses Jahr möglichst lange ohne Gels fahren in der Hoffnung, meinen Magen damit zu schonen. Während ich am Essen war, kam auch schon Freyer angerollt. Ich nahm an, dass es ihm in etwa gleich gehen würde wie mir und er sich erstmals Zeit lassen würde, doch da lag ich falsch. Er hatte mich gar nicht bemerkt und vollzog den Wechsel ziemlich schnell. So packte ich ein zweites Sandwich und setzte meine Fahrt zwangsläufig schneller als geplant fort. Erst nach ein paar Metern hatte mich Freyer bemerkt und war ganz erstaunt, dass ich noch nicht auf und davon war….. was man nicht alles übersieht wenn man am Anschlag fährt (vlt in dieser Wildnis und bei der Tierwelt auch besser….)!

Jetzt waren wir also tatsächlich wieder zu zweit unterwegs und meine Taktik war damit begraben. Denn die Zweierteams waren noch nicht bei uns und ab jetzt führte die Strecke für die nächsten 140 Km beinahe flach durch die dunkle Nacht! Dazu ging es mir richtig beschi….ssen. Ich war komplett leer, hatte mich selber abgeschossen und bis mir selbst das zweite Sandwich Energie geben würde, könnte mir das Rennen aus der Hand laufen. Nach 5 Km schossen zwei Lichter an uns vorbei. Es waren die erhofften 2er Teams und so hiess es festbeissen! Kai Pritzen und Michelle Vorster hatten von ihren Kollegen übernommen und nahmen das Rennen mit frischen Kräften in Angriff. Pritzen schlug ein ganz ordentliches Tempo an und zog dies bis zur Zwischenverpflegung bei 205 Km durch. Da hoffte ich auf eine rettende Coca Cola, doch keiner wollte anhalten und so schien ich geliefert!

Zum ganzen Übel musste ich auch noch feststellen, dass Freyer einen unglaublich starken Eindruck machte. Die Sterne am Himmel sah ich im weiteren Rennverlauf zeitweise doppelt und zum ganzen Übel war einmal mehr mein Magen hinüber. Ich brachte kaum noch Wasser runter und konnte mich nur noch mit letztem Einsatz in der Gruppe halten. Am liebsten hätte ich beim nächsten grossen Verpflegungspunkt nach 250 Km das Handtuch geworfen. Doch da standen meine Schwiegereltern mit neuen Flaschen und eine Aufgabe liegt bei diesem ganzen Aufwand einfach nicht drin! Ich bin beim Desert Dash schon oft durch harte Zeiten gegangen und am Ende muss man einfach die Nerven behalten und das Ganze über sich ergehen lassen!

Unsere Gruppe blieb bis zur 315 Km Marke so bestehen, doch dann schoss plötzlich ein Licht an uns vorbei. Es war der Fahrer des ersten 4er Teams! Ich hatte es nicht sehen kommen und war dermassen paff, dass ich nicht gleich reagierte. Doch dann schoss auch Freyer hinterher und jetzt war um 3 Uhr morgens der Moment gekommen, besser hellwach zu werden und den Abgang nicht zu verpassen. Ich schoss denn beiden hinterher und drückte mir bei der nächsten Gelegenheit das erste Gel des Rennens rein. Auch unsere Begleiter waren zur Stelle und blieben dran und so erreichten wir nach 325 Km den letzten Verpflegungspunkt. Die Regeln sagen ja, dass neben den ersten 30 Km auch die letzten 50 Km von sämtlichen Teammitgliedern gefahren werden müssen und so standen sämtliche Partner der 2er und 4er Teams bereit. Jetzt musste der Wechsel aber zackig gehen!

Die folgenden 24 Km sind von der Streckenführung die anspruchsvollsten des gesamten Rennens, da die Strecke durch die „moonlandscape“ von Coniecontest führt. Teilweise tiefer Sand erfordern noch einmal viel Kraft und Fahrkünste! Da es nach diesem Abschnitt die letzten 25 Km nur noch geradeaus und auf einer schnellen Strasse zum Zielstrich geht, gab es für mich nur diese eine Chance, dieses Rennen zu gewinnen! Ich musste in diesem Abschnitt alles in eine Waagschale werfen und den Unterschied machen, denn auf der Fläche war mir Freyer überlegen. Doch nun waren da noch all die Teams um uns herum und diese könnten für den Ausgang des Rennens entscheidend sein!

Als ich beim Scan durch war und meine Flaschen gewechselt hatte sah ich, dass vor mir zwei Lichter in der Nacht verschwanden. Zack, die während 140 Km ersehnte halbe Flasche Cola runter kippen und drauf drücken. Ich schloss die Lücke und zog auch gleich vorbei. Vor einem Jahr hatte ich bereits das Rennen in diesem Abschnitt entschieden und so sollte es auch diesmal kommen. Von der Spitze aus presste ich die letzten Körner aus meinem Körper in der Hoffnung, dass die Lichter in meinem Rücken weniger werden. Es dauerte eine Weile, doch dann sah ich die ersten Abstände! Einfach weiter ballern, zu verlieren hatte ich ja nichts mehr und so kam es, dass ich irgendwann nur noch vier Lichter zählte. Es war das 4er Team, welches nicht locker liess und bei mir dran blieb. Ich zog bis am Ende der Sandstrecke voll durch und erzielte am Ende die schnellste je gefahrene Zeit auf diesem Abschnitt!

Nun lag aber noch das lange Flachstück bis zum Ziel vor mir und da konnte ich auf die Hilfe meiner Begleiter zählen. Ich musste aber um jeden Preis dran bleiben, denn ich war ja nicht im Bild, welche Gruppen sich hinter uns bildeten! Gezeichnet von den Strapazen erreichte ich nach 14.75 Std. schlussendlich den Zielstrich zum sechsten Mal in Folge als Sieger!

Ich hatte angenehmere Tage auf dem Fahrrad in meinem Leben und vor allem liess ich mich durch die Tatsache, einen unterschätzen neuen Konkurrenten zu haben zu sehr aus dem Konzept bringen. Am Ende konnte ich mich aber auf meine Stärke, meinen Kopf verlassen. Wenn ich möchte und gezwungen werde, dann kann ich richtig leiden und die letzten Kräfte mobilisieren. Auch der 6te Sieg schreibt einmal mehr ein komplett neues Drehbuch und genau das macht den Reiz dieses Rennens aus!

Ich möchte an dieser Stelle meinem ärgsten Konkurrenten Freyer meinen höchsten Respekt aussprechen. Der Rückstand am Ende widerspiegelt leider überhaupt nicht seine Stärke des heutigen Rennens!

Dazu kommt ein ganz grosses Dankeschön an meine Schwiegereltern, welche für mich die Nacht durchgemacht und mich verpflegt haben! Ohne diesen Support ist ein solches Rennen nicht machbar!

Nach einer Geschichte wie heute bleibt für mich die Faszination Desert Dash bestehen!

Nun freue ich mich auf ein paar ruhige Tage, ehe auch meine Frau pünktlich vor Weihnachten in ihre Heimat reist. Neben Training wird es auch ein paar Tage Urlaub im Norden des Landes geben! Da wird es sicherlich wieder das eine oder andere zu berichten geben!

Bis dahin wünsche ich euch allen eine schöne und erholsame Weihnachtszeit! Auch wenn es in diesem Jahr durch die ganze Pandemie nicht wie üblich sein wird, sollten wir in jeder Situation das Beste daraus machen! Soviel habe ich heute zumindest ein weiteres Mal gelernt……