Rennberichte

Rang 3 beim Chasing Cancellara.

Von Zürich via 280 Km und 6‘000 Höhenmeter nach Zermatt, Startzeit 1.56 Uhr in der Nacht! Ja, für viele Menschen sind solche Eckdaten oftmals etwas weit weg von „normalen“ Dingen, die man halt so auf sich nimmt. Doch genau diese Extreme machen den Reiz aus, solche Strapazen auf sich zu nehmen! Es ist die Ungewissheit was einem erwartet, wie es einem gehen wird und ob man es am Ende tatsächlich schafft, was einem der Anreiz für solche Rennen gibt!

Mittlerweilen habe ich ja bereits jede Menge Erfahrung über solche Distanzen und weiss genau, zu was mein Körper im Stande ist und wie ich ihn behandeln muss. Diesmal bereitete mir nicht die Distanz etwas Kopfzerbrechen, sondern die Startzeit! Wie soll ich denn davor schlafen, wenn der Startschuss zum Zeitpunkt meiner üblichen „Alptraumphasen“ fällt??!!

Da am Donnerstag mein Bruder noch seinen 30igsten Geburtstag feierte, konnte ich der Feier natürlich nicht ganz widerstehen und so genossen meine Frau und ich noch ein gemütlicher Grillabend, ehe wir dann leider etwas früher als die anderen Partygäste nach Hause mussten. Ich kam übrigens durch meine Frau auf die Idee, an diesem Rennen Teil zu nehmen, denn sie fuhr das Rennen im 2er Mixed-Team für ihren Privat-Sponsor Bär & Karrer und da durfte ich ja bereits bei der Alpenrundfahrt (Trainingsweekend in Andermatt) mit dabei sein. Da ja zurzeit sowieso keine Rennen stattfinden, meldete ich mich vor einer Woche nachträglich zum Rennen an.

So legten wir uns von 21 bis 23.45 Uhr noch kurz hin und bevor wir uns auf den Weg nach Zürich machten, brachten wir noch die Kaffeemaschine zum Glühen. Naja… geholfen hat‘s wenig aber die Freude auf das Bevorstehende und das Adrenalin im Blut verdrängten dann die Müdigkeit relativ rasch!

Gestartet wurde dann in 4er Gruppen und in Abständen von 45 Sekunden. Die Solofahrer zuerst und hinterher die Teams. Doch das komische am Rennen ist, dass man ja überhaupt keine Ahnung hat, an welcher Stelle man liegt!  Die ersten 34 Km ist Windschatten fahren erlaubt, danach ist man komplett auf sich alleine gestellt. Ein Einzelzeitfahren über 250 Km also. Bei der Anmeldung musste man seine geschätzte Durchschnittsgeschwindigkeit angeben und so sollten die Stärksten Fahrer zuletzt starten. Da ich einer der Letzten war nahm ich an, dass die Fahrer um mich herum alle relativ schnell waren. Doch dem war nicht so und so konnte nur ein Fahrer bei mir mithalten und gemeinsam überholten wir die ersten 34 Km bereits unzählige Fahrer.

Die Strecke führte zuerst ziemlich coupiert durchs Aargau und anschliessend via Sursee und Wolfhausen ins Entlebuch. Kurz vor dem ersten Wechsel holten wir noch einen Fahrer ein, der bei uns mithalten konnte und danach mussten wir ja mit 50 Meter Abstand alleine fahren. Dabei orientierte ich mich nach den anderen beiden Fahrern, die Abwechselnd das Tempo bestimmten. Ich dachte mir, dass diese zwei Fahrer die Stärksten wären, denn ansonsten hätten wir ja nicht alle anderen überholt und uns hatte bis zu jenem Zeitpunkt ja auch keiner eingeholt. Da wir beinahe die letzten Starter waren, hätten ja Schnellere zu uns aufgeschlossen! Leider war diese Annahme rückblickend ein Irrtum, denn auf jenem Streckenabschnitt von Wolfhausen bis nach Sörenberg liess ich viel Zeit liegen, da im Gegenwind keiner richtig Tempo fahren und ich auch nicht unnötig meine Kräfte verpuffen wollte.

Erst als es dann hinauf zum Glaubenbielenpass ging, schlug ich mein Tempo an und setzte mich von meinen Begleitern ab. Zu jenem Zeitpunkt überholten wir auch keine anderen Fahrer mehr und ich dachte, ich wäre relativ gut im Rennen. Als ich um kurz nach 6 Uhr die Passhöhe erreichte, dämmerte es so langsam am Horizont und die Morgenstimmung und Aussicht hinunter auf den Sarnersee während der Abfahrt werde ich so schnell nicht mehr vergessen! Das war einer meiner schönsten und mystischsten Momente auf dem Fahrrad den ich je erleben durfte!

Doch zum Durchatmen blieb nicht viel Zeit, denn die Abfahrt im Halbdunkeln erforderte volle Konzentration und gleich danach ging es hinauf zum Brünnigpass. Da überholte mich ein erster Fahrer der 2er Teams. Die Teams haben bei diesem Rennen natürlich ein Begleitfahrzeug und max. 2 Betreuer mit dabei und dürfen ihre Wechselposten selber bestimmen. Somit kann stets einer der Beiden im Auto zum nächsten Wechselposten fahren und sich ausruhen, ehe er seinen nächsten Einsatz hat.

Bei uns Solofahrer gab es 8 Verpflegungsstellen verteilt auf der Strecke und wir mussten alles selber regeln, also Flaschen selber auffüllen, schnell ein Riegel rein drücken und weiter ging‘s!

Nach der Abfahrt vom Brünnig folgte mit dem Grimselpass das Haupthindernis des Tages! Da lief es mir dann nach 6 Stunden ziemlich gut und ich holte zu meiner Überraschung nochmals zwei Solofahrer ein. Nun riefen mir Leute an der Strecke immer wieder unterschiedliche Informationen zu. Mal hiess es, dass ich an dritter Stelle liegen würde (aber da war ja ein Teamfahrer vor mir) und mal hiess es, ich wäre der Erste. Ein Überblick hatte also niemand und so konzentrierte ich mich auf meinen eigenen Rhythmus. Auf der Passhöhe hiess es dann, dass bereits ein Solofahrer vor 30 Minuten durchgefahren sei, wonach ich ziemlich verwirrt war und die Welt nicht mehr verstand.

Nach dem Grimsel folgte die lange Abfahrt nach Ullrichen und dann ging’s weiter das Wallis hinunter durchs Goms bis nach Visp. Diese Strecke war dann extrem mühsam, denn ich stand einmal ganze 4 Minuten bei einer Baustelle an der Ampel und kurz danach auch noch bei einem Bahnübergang. Ich verlor also viel Zeit und danach hatte es auch noch extrem viel Verkehr durch die beiden Ortschaften Brig und Visp. Ich war richtig genervt und leider rutschte meine Sattelstütze auch noch immer tiefer. Bei meinem Aero Rahmen ist das Verstellen der Sattelstütze ziemlich mühsam und man braucht dazu verschiedene Schlüssel. Leider musste ich durch das Missgeschick nochmals einen Stopp einlegen und liess erneut unnötig Zeit liegen.

Von Visp ging’s dann nochmals 34 Km hinauf bis zum Zielort Zermatt! Ich fühlte mich zwar noch immer relativ gut, doch so richtig in Rennstimmung war ich nicht mehr und konnte mich auch nicht mehr voll pushen. Zu sehr war ich genervt über die Ungewissheit, wo ich aktuell im Rennen liegen würde und das Missgeschick beim Fahrrad! Als ich dann nach exakt 10 Stunden (9.48 Std. reine Fahrzeit) das Ziel erreichte, lag ich auf Rang 2. Doch kurze Zeit später kam noch ein Fahrer ins Ziel, der etwas später als geplant gestartet und noch etwas schneller als ich unterwegs war. Somit rutschte ich noch auf den dritten Rang ab. Der Rückstand auf den Sieger war allerdings beachtlich und auch nicht im Bereich meiner aktuellen Möglichkeiten! Somit war ich am Ende ganz zufrieden mit Rang 3, denn so richtig Rennfeeling mit Positionskämpfen kam ja auch gar nie auf und somit fällt mein Fazit zu diesem Rennen etwas gespalten aus. Man könnte diese Strecke auch einfach alleine als Training fahren, doch dann würde ich sicherlich eine etwas andere Startzeit wählen und viele Leute würden so etwas dann auch gar nicht in Angriff nehmen! Der Anreiz gibt dann eben am Ende doch ein Rennformat!

Im Ziel wartete ich dann noch auf meine Frau, welche mit ihrem Partner ein extrem starkes Rennen fuhr! Wie der Name es sagt (Chasing Cancellara), erreichte dann auch bald einmal Namensgeber Cancellara mit seinem Partner und Ironman Spezialist Jan Van Berkel das Ziel und überreichte den Finishern ihre wohl verdiente Medaille! Ich setzte mich auf eine Bank neben dem Ziel, gönnte mir ein Sandwich und blickte in die Gesichter der Finishern! Diese Blicke und die geteilten Emotionen sprechen für sich und erklären, wieso man sich so etwas antut! Ziele zu haben im Leben wäre für alle Menschen wichtig und bei Sportlern ist es der Antrieb fürs gesamte Training und Lebensstil! Gerade im Hobbysportbereich sind solche Anlässe von extremer Bedeutung. Für uns sind Wettkämpfe etwas ganz normales und wir erleben es beinahe jedes Wochenende. Doch für Freizeitsportler bilden sie oftmals der Grundstein zur Motivation fürs Training und die meisten fiebern wochenlang auf diesen einen Tag hin! Umso grösser natürlich die Freude danach!

Für mich war es ebenfalls ein sehr schönes Wochenende und am liebsten würde ich nun die Saison beenden. Doch so einfach ist es für mich natürlich nicht, denn schliesslich gibt es bei mir noch andere Parteien, die über meine Renneinsätze bestimmen und nun gilt es die kommenden Tage ein paar wesentliche Entscheidungen zu treffen!

Ich gratuliere an dieser Stelle allen Teilnehmern zu ihren Leistungen und möchte mich auch bei der Firma Bärr & Karrer für den Support bedanken!

Stay tuned!