Rennberichte

Die Leidenschaft „Radsport“ neu entdeckt!

Den Kopf nicht hängen lassen, diesen Spruch hörten wir in letzter Zeit nur allzu oft. Mein letzter Eintrag liegt schon Wochen zurück und diesen hätte ich mir damals ebenfalls sparen können, denn wie alle wissen, fand auch das Cape Epic gar nie statt. Damals hatte ich schlicht keine Motivation mehr, darüber zu berichten und ich musste zu Hause zuerst einmal alles verdauen. Zeit heilt bekanntlich Wunden…..

Stand heute sehe ich das ein wenig anders mit dem Verlauf dieses Jahres, denn ich hatte auch ein riesen Glück! Hätten wir zwei Wochen später unser Hochzeitsfest in Namibia gehabt, so wäre mein schönster Tag meines Lebens ebenfalls dem Coronavirus zum Opfer gefallen! Ich möchte mir gar nicht ausmalen, was das alles bedeutet hätte! Nicht nur für mich, sondern auch für all meine Freunde und Familie, die den weiten Weg auf sich genommen hatten! Doch dazu kam es ja glücklicherweise nicht!

Nach dem Songo Rennen am Mittwoch vor dem Epic überschlugen sich die Ereignisse. Meine Teamkollegen standen nämlich am Donnerstag  vor der Entscheidung, in Madrid in den Flieger zu steigen und nach Kapstadt zu fliegen oder alles abzubrechen und es den Spanischen Top-Teams Orbea & MMR gleich zu tun. Doch da sich die Organisation des Cape Epic’s sicher war, das Rennen durchzuführen und es für mein Team das wichtigste Rennen des Jahres ist, nahmen meine Freunde die lange Reise auf sich.

Am Freitagmorgen sass ich beim Frühstück und vernahm, dass sich sämtliche Teams von Specialized  zurückziehen würden.  Was sollte das nur für ein Rennen werden!!??

Ich packte um Mittagszeit meine Taschen in Stellenbosch und reiste zum Flughafen, wo ich meine Teamkollegen erwarten und mit ihnen nach Kapstadt ins Guesthouse fahren sollte. Auf der Fahrt dahin kontaktierte mich mein Teammanager aus Spanien und teilte mir mit, dass wir den nächsten Flieger nach Hause buchen sollten. Meine Teamkollegen waren zu dem Zeitpunkt noch in der Luft und gar nicht erst in Kapstadt gelandet! Als sie dann eintrafen, da wurde zuerst einmal hin und her telefoniert. In Spanien drohte die Situation damals zu eskalieren und die Grenzen würden dicht gemacht, doch zu jenem Zeitpunkt hielt das Cape Epic noch immer an einem Start fest! So reisten wir nach ein paar Diskussionsrunden doch ins Guesthouse, schraubten die Bikes zusammen und fuhren eine kleine Runde um den Lionshead. Als wir zurückkamen, da gab es den ernüchternden Anruf der Pressesprecherin, dass das Rennen nun doch abgesagt werden müsse. Wir buchten den nächsten Flieger und somit befanden sich die Spanier keine 24 Stunden nach ihrer Ankunft wieder in der Luft auf dem Weg nach Hause!

Die Enttäuschung war natürlich riesig, doch bei mir lief alles ab wie ein Film, denn ich hatte bereits an meinem Hochzeitsfest gesagt, dass das Epic nicht stattfinden würde. Denn hatte man gesehen was an den anderen Orten der Welt bis dato abging, so machte es überhaupt keinen Sinn, dass solch ein Rennen stattfinden sollte. Trotzdem, von einem Schlag auf den anderen war da nichts mehr, ausser einer grossen Leere! Es schmerzte extrem, zu Hause die ganze Cape Epic Kollektion (spezielle Trikots, Schuhe usw.) ungebraucht in eine Schachtel zu packen und im Schrank zu verstauen, doch damals gab es sichtlich grössere Probleme auf dieser Welt!

Der Verlust des Cape Epic’s für die Sponsoren und auch für alle Fahrer war immens, doch was bei vielen hochkam, war vor allem auch Wut und Unverständnis gegenüber dem Veranstalter. Hätte dieser das Rennen zu Beginn der Woche abgesagt, so hätten sich die meisten Teilnehmer die Reise  und vor allem riesige Unkosten (Um/Neubuchungen von Flügen) sparen können. Fakt ist, dass sich die Organisatoren auf die Südafrikanische Regierung stützte, denn diese untersagte bis zu jenem Freitag keine Veranstaltungen und damit wäre von der Versicherung für den Event kein Geld geflossen. Ein Eigentor war dieser Entscheid aber ganz bestimmt und ich bin gespannt, wie viele Fahrer sich in Zukunft um diesen Event reissen werden!

Als ich zu Hause war, da überholte mich eine extreme Müdigkeit und Abgeschlagenheit. Mein Programm von Jahresbeginn bis zum Epic war extrem dicht und vor allem emotional hatte ich kaum Zeit, das Geschehene zu verarbeiten. Da war einerseits die Enttäuschung und Sinnfrage meines Berufes und andererseits war ich nun ein frisch verheirateter Mann!

Zu jenem Zeitpunkt war so vieles ungewiss, dass ich das gute Wetter ausnutzte, um mein Training fort zu setzen. Ich war schliesslich in einer sehr guten Form und es hätte wohl alles gepasst. Ein super Team, ein perfektes Setup und eine riesen Motivation wären bereit gewesen, dem Cape Epic endlich den Stempel aufzudrücken! Doch hätte Wenn und Aber verblassten relativ schnell!

Ok, nur nicht die Nerven verlieren und einfach am Plan festhalten, nach dem Epic (ich trainierte in dieser Woche sehr viele Stunden) die geplante Ruhewoche einziehen und dann wieder aufbauen für die Rennen im April….. doch wie alle wissen, kam es auch dazu nicht.

Egal bei welchem Job, in welcher Branche oder in welchem Lebensabschnitt, jeder Mensch braucht Ziele, ansonsten fehlt der Antrieb und  die Motivation! Ich denke, viele Leute haben in der Krise einmal einen Einblick in den  Tagesablauf eines Profi-Einzelsportlers erhalten. Aufstehen wenn man will, etwas erledigen wenn man will und sich für alles selber motivieren. Klar, Sportler haben auch ihre Trainingsstrukturen, doch viele können ihren Tag selber einteilen. Ohne Antrieb, wenn man nicht wirklich muss, fällt einem das manchmal ziemlich schwer. Wir in der Schweiz hatten das Glück, dass wir uns stets frei bewegen durften und so hatten wir Radsportler ausser dem Verlust der Rennen keine Einschränkungen. Ich denke da oftmals an Kunstturner oder Schwimmer, die ihren Sport nicht mehr ausführen durften. Für viele ist der Radsport das geliebte Hobby oder Leidenschaft und so sah ich in den letzten Wochen unzählige zufriedene Gesichter in der Natur, obschon diese Leute ihren normalen Beruf nicht ausführen konnten. Für mich war es auch einmal ein Hobby, doch  seit nunmehr 10 Jahren ist es mein Beruf. Das ist ein extremer Unterschied, denn somit MUSS man auch aufs Rad, selbst wenn man auch mal keine Lust dazu hat. Ausschlag dazu sind dann ganz einfach die Ziele, sprich Rennen.

Wenn man mir oder uns Sportlern nun diese wegnimmt, dann fehlt der Sinn der Sache. Wieso soll ich denn jetzt so viel trainieren, wenn ich keine Lust dazu habe? Was soll ich denn überhaupt trainieren, wenn ich nicht weiss, für welche Belastungen ich bereit sein muss? Auf welchen Tag hin soll ich meinen Aufbau machen…. Unzählige offene Fragen also. Was mich in den letzten Wochen mental über Wasser hielt war das Privileg, dass ich nebenbei im Familienbetrieb so viel arbeiten durfte, wie ich wollte! Zum guten Glück war unsere Branche (Dachdecker) nicht eingeschränkt und auch die Arbeit geht uns „noch“ nicht aus! So fuhr ich die letzten Wochen einfach nur Fahrrad, so viel ich eben wollte und arbeitete nebenbei im Geschäft.

Das Schöne daran war, dass ich die Leidenschaft fürs Radfahren neu entdeckte! Ich fragte mich zwar schon sehr oft, wie lange ich aufs Rad steigen sollte, doch die Frage wurde dann oft von der Wetterlage beantwortet! Denn dieses war ja in den letzten Wochen schlicht genial und so fielen die meisten meiner“ Ausfahrten“ (keine Trainings) etwas länger aus. Ein komisches Gefühl, keine Intervalle fahren zu müssen, nicht genau auf die Minute fahren zu wollen und auch der Wattschnitt ist momentan nicht so relevant. Der obligatorische Nussgipfel oder Kuchenhalt durfte nun auch nie fehlen und ersetze den klebrigen Powerriegel! Zeit, um neue Wege zu er kundschaften blieb ebenfalls und so gab es in letzter Zeit viele tolle Touren! Das Wetter war nun so lange gut, dass die Ruhewoche ausblieb und nun bin ich extrem froh, dass es endlich regnet, haha. Denn nun kann ich ohne schlechtes Gewissen eine Woche oder vlt. mehr eine Pause einlegen, welche mein Körper dringend benötigt.

Nun wissen wir auch, dass sicher bis im Juli keine Rennen mehr stattfinden und da im Juli sowieso fast gar keine wären für mich, rechne und hoffe ich nun, dass ich Anfang August beim La Leyenda in Kolumbien am Start stehen werde! Die diesjährige Saison wird sich weit nach „Hinten“ bis in den November ziehen und falls die Welt wieder normal dreht, so stehen noch viele tolle Rennen an! Die Hoffnung stirbt zuletzt und schliesslich kommt es dann am Ende doch wieder auf die Tatsache zurück, dass ich trainieren muss, weil es ganz einfach auch noch mein Job ist. Die Leidenschaft dazu konnte ich in den letzten Wochen definitiv zurück gewinnen!

Doch Motivation hin oder her, für uns Sportler gibt es aktuell noch einen weiteren Stressfaktor und zwar die Zukunftsfrage. Wie schnell und ob sich die Wirtschaft und die Betriebe von dieser Krise erholen werden, wird für unsere Zukunft essentiell sein! Unser Branchenbereich ist für die meisten Unternehmen nicht überlebenswichtig und ein Sektor, bei welchem am schnellsten und einfachsten eingespart werden kann! Es sind also nicht nur die ausbleibenden Rennen, die mich etwas belasten, sondern vor allem die Frage, wie meine nahe Zukunft aussehen wird!

Bis ich nun weiss, wann und ob ich wieder ins Renngeschehen eingreifen werde, verzichte ich auch auf meine üblichen Blogeinträge und so kann es hier  erneut ein paar Wochen Funkstille geben. Ich hoffe, dass es euch liebe Leser/innen allen gut geht, ihr gesund bleibt, den Kopf nicht hängen lässt und möglichst unbeschadet aus dieser Krise kommt!

Irgendwann gibt’s bestimmt wieder eine FullGaz Zeit!

Es tut doch auch mal gut, etwas durch zu schnaufen und sich an kleinen Dingen im Leben zu freuen und diese zu schätzen. Ich hoffe die Menschheit gewinnt etwas an Toleranz, vor allem in unserer Welt! Am Ende ist es vorwiegend auch eines, unsere Einstellung und Haltung, wie wir mit der Situation umgehen und was wir daraus machen. Ich wünschte mir, dass es in Zukunft in unserer Gesellschaft kein Problem mehr ist, wenn sich zB. Mountainbiker und Wanderer denselben Weg in der Natur teilen müssen und man endlich begreift, dass es in dieser Welt weitaus grössere Probleme (Zb. kein Essen, kein Wasser oder ganz einfach einige schlimme Krankheiten) gibt und man somit auf total lächerliche Barrikaden verzichten könnte. Doch so wie ich das einschätze wird sich die Welt relativ schnell wieder drehen wie früher, denn schliesslich sind die Menschen „Gewohnheitstiere“ und verlassen nur ungern ihre Komfortzonen!  Damit bleiben eben unsere Probleme (langsames Internet, zu laute Nachbarn oder eben Mountainbiker auf Wanderwegen) erhalten…….

Hoffentlich bis bald!

Konny